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Kammermusik für Violine sowie für Klavier und Violine

Sibelius’ erstes Instrument war Klavier und schon mit fünf Jahren versuchte er Klänge und Akkorde auszulesen. Als Janne anfing, Violine zu spielen, zog er es lange vor, frei zu improvisieren.

Am Anfang spielte er mit einer Technik, die er allem Anschein nach selbst entwickelt hatte. Ein regelmäßiges Studium des Geigenspiels begann er erst im Herbst 1881 unter Aufsicht des Militärkapellmeisters Gustaf Levander. Janne hatte kurz davor von seinem Onkel Pehr, der in Turku wohnte, eine neue Geige geschenkt bekommen. Viele Briefe aus den Studienjahren sind erhalten geblieben, in denen er um Geigensaiten bettelt. Nach Aussage des Komponisten „übermannte die Geige mich völlig. Von jetzt an war für zehn Jahre lang mein innigster Wunsch, das höchste Ziel meines Ehrgeizes, ein großer Geigenvirtuose zu werden“.

Das Musizieren mit den Geschwistern – Linda war Pianistin und Christian spielte Violoncello, zusammen bildeten sie ein Trio – und mit Bekannten in Hämeenlinna und in den Sommerhäusern führte unumgänglich zu eigenen schöpferischen Versuchen und zum Komponieren, um ein Repertoire zu bekommen. Die frühesten Kompositionen mögen um das Jahr 1881 entstanden sein, obwohl die meisten nicht erhalten geblieben sind. Es gibt jedoch einige Ausnahmen: Vattendroppar (Wassertropfen, Vesipisaroita) für Violine und Violoncello (1881?) und Duo in C-Dur (Adagio [-Allegro]; 1881-82) für zwei Violinen.

Frühe Violinwerke, ohne Opusnummer

Die ersten Kompositionen für Violine und Klavier sind in den 1880er Jahren entstanden, einige schon 1885 vor dem Umzug nach Helsinki. Während der Studienjahre (1885–1891) in Helsinki, Berlin und Wien komponierte Sibelius insgesamt cirka 40 Werke für sein eigenes Instrument. Neben den Kleinstücken komponierte er auch zwei Sonaten und zwei Suiten.

Sonate a-Moll (1884) ist das erste eigentliche Werk für Violine und Klavier. Die Architektur des Werkes ist klassisch, nur die Reihenfolge der Tonarten ist originell: die zwei ersten Sätze sind in a-Moll, der dritte Satz, ein Menuett, ist in h-Moll und das Rondo am Schluss in D-Dur.

Sonate F-Dur (1889). Diese Komposition ist einer der ersten Reifenachweise des jungen Genies, das am Ende seiner Studien stand. Die Sonate ist ein sehr anspruchvolles und stattliches Werk und verlangt viel von beiden Instrumenten. Es ist auch interessant, dass das Werk ein ausführliches Programm hat, das Sibelius in seinem Brief an Onkel Pehr (6.7.1889) offenlegte:

"1. Satz 2/4 in F-Dur ist beschwingt und gewagt, aber auch düster mit manchen glänzenden Episoden. Der zweite Satz in a-Moll ist finnisch und wehmütig. Da weint ein echt finnisches Mädchen (a-Saite). Danach tanzen ein paar Bauernburschen einen finnischen Tanz und versuchen das Mädchen zum Lächeln zu bringen, aber dieses singt nur noch tiefer und wehmütiger. Der dritte Satz 3/8 in F-Dur ist frisch, geistvoll und träumerisch. Das Volk feiert den Mittsommerabend singend und spielend auf einer Wiese. Dann fällt ein Meteor herunter. Sie geraten in Erstaunen, aber spielen weiter, jedoch nicht mehr so frei wie vorher, denn alle sind ernster geworden. Zum Schluss ändert sich die Stimmung und sie wird düster, aber eindrucksvoll (Meteor!) und das Spiel wird wieder heiter.“

1. Satz [Allegro] hat in seiner Tonart und Melodik (Triolen) Einflüsse von Grieg. Sibelius schreibt vor allem fürs Klavier brilliante Arpeggien und Oktaven. Im Violineneinsatz fallen Melodik und Virtuosität gelungen zusammen. 2. Satz (Andante). Klingende Klavierakkorde, die der Kantele (ein traditionelles, finnisches Zupfinstrument) ähneln, begleiten die a-dorische Melodie der Violine. Die Seitenepisoden in A-Dur und in F-Dur (Più vivo) sind in ihrem Tanzrhythmus hell. 3. Satz (Vivace). Das Finale im Mazurkarhythmus ist spielerisch leichtherzig in seinen Triolen, die vorübergehende Dunkelheit (Meteor) ausgenommen.

Suite in d-Moll (1887–1888) Die bemerkenswertesten Sätze des sechssätzigen Werkes sind der dritte Satz, Andantino, eine wirklich melodische Perle und der Schlusssatz Quasi presto, der durch seine violinistische Bravur beeindruckt.

Sonate E-Dur (1888). Die zweite Suite ist virtuoser als die vorangegangene, sie ist die Erfüllung der violinistischen Träume von Sibelius.

1. Satz (Allegro molto moderato). Dieser Satz fängt melodisch an und hat die Süße von Salonmusik in sich. Anstatt sonatenförmiger Dominanzmodulation (H-Dur) ist die zweite Tonart in cis-Moll und bildet eine eigene trioartige Sphäre. Doppelgriffe, Arpeggien und vor allem die anspruchsvolle Kadenz quasi adagio, die teilweise den Sonaten mit Solovioline von Bach nahe kommt, weisen schon auf das Violinkonzert hin. 2. Satz (Allegro molto). Dieser Satz ist prachtvolle Konzertmusik mit seinen schnellen 1/16 Läufen und Doppelgriffen. 3. Satz (Più lento quasi andantino) ist ein gemütlicher, langsamer Walzer (Valse lente) und teilweise eine Vorübung für Valse triste. 4. Satz (Allegro brillante). Der Schlusssatz ist eine stattliche Salonpolonäse im Stil von Wieniawski. Die gebrochenen Oktaven erinnern wieder an das Violinkonzert.

Unter den Violinstücken, die Sibelius während der Studienjahre in Helsinki komponierte, gibt es mehrere entzückende Werke, die von seinem melodischen Talent zeugen: Andante grazioso (1884–1885), [Andante molto, C-Dur] (1886–1887) und Andante cantabile (1887). Von den Werken für Solovioline kommt Étude in D-Dur (1886) mit ihren schnellen Skalenläufen am nächsten der Technik, die die Capricen von Paganini voraussetzen. Ein froher Musikant (En glad musikant, 1924–1925) für Solovioline beinhaltet ein über die Noten geschriebenes Gedicht von Ture Rangström.

Kompositionen für Violine mit Opusnummer

Während der Studienzeit komponierte Sibelius nur zwei Werke für Violine, deren revidierten Fassungen Sibelius später eine Opusnummer gab.

Op. 2, Nr 1 Romanze in h-Moll (Romanssi h-molli, 1911). Die erste Fassung des Stückes stammt aus dem Jahr 1888, damals hatte es keinen anderen Namen als die Tempobezeichnung Grave. Als das Werk revidiert wurde, erhielt es den Namen Romanze (Romanssi). Es wurde melodisch nicht viel geändert, aber in den Klaviereinsätzen gibt es kleine Unterschiede im musikalischen Gewebe. Der Violineinsatz weist wieder auf das Violinkonzert hin.

Op. 2 Nr. 2 Epilog (Allegro, 1911). Das Werk, dass ursprünglich Perpetuum mobile (1888) hieß und auf Geigentremolos und gebrochene Akkorde des Klaviers basierte, wurde nach der Revidierung (1911) wesentlich umfassender und die Dramaturgie des Werkes gleichzeitig vielseitiger, verlor aber dabei seine Tremolos und bekam seinen jetzigen Namen. Die Tritonus sind typisch für das Werk, denn auch die Symphonie Nr. 4 entstand im selben Jahr.

Es ist eigentlich ziemlich seltsam, dass Sibelius nach den Studienjahren seine Geige für lange Zeit (über zwanzig Jahre) beinahe vollkommen „vergaß“ und sich nur darauf konzentrierte, für sein neues Lieblingsinstrument, das Orchester, zu komponieren. Die schwierige wirtschaftliche Lage der Kriegsjahre (1914–1918) und auch die Zeit danach zwangen ihn in den 1910er und 1920er Jahren neben der umfangreichen Produktion an Klaviermusik auch 29 Originalwerke für Violine und Klavier (1915–1929) zu komponieren.

Hierunter gibt es mehrere beliebte Zugabenummern und dazu kommt noch, dass die Violinwerke schwierige und rätselhafte Stücke, tonale Mehrdeutigkeit und polyrhythmische Melodien beinhalten, bei denen man sich anstrengen muss, sie verstehen zu können. Es ist geradezu unfassbar, dass Geiger, die die wundervollen Salonwerke von Wieniawski, Sarasate und Kreisler lieben, immer noch nicht zu Sibelius’ Violinenlyrik gefunden haben.

Von den Violinisten der älteren Generation führte in erster Linie Emil Telmányi sie oft auf, aber die jüngeren Violinisten, beinahe ohne Ausnahme, haben Sibelius gemieden – das Violinkonzert ausgenommen. Ein Problem mag darin liegen, dass es schwierig war, die Noten zu bekommen, weil die Auflagen in vielen Fällen schon lange ausverkauft waren. Sibelius’ Violinenmusik enthüllt sich dennoch immer als gut geschrieben und lohnend. In seinen Werken werden auch die üblichsten Lösungen vermieden, es gibt also einen Grund, noch auf einen Boom in dieser Beziehung zu warten.

Die Violinistin Melinda Scott (1998) hat Sibelius’ Violinenmusik in sechs Kategorien eingeteilt:

1.) „lyrisch“ (zarte Melodik in einem ziemlich langsamen Tempo)

2.) „volksmusikartig“ (strenge Metrik, klare und regelmäßige Phrasen)

3.) „bildlich“ (von der Natur inspirierte Einflüsse bei einem Individuum)

4.) „klassisch und fantasieartig“ (Rondino op. 81 Nr. 2)

5.) „virtuose Tänze“ (pyrotechnische Bravur)

6.) „reich an Figuren/dekorativ“ (Allegro-Tempi).

Vier Stücke für Violine (oder Violoncello) und Klavier, op. 78 (1915-17)

Nr 1, Impromptu (Commodo, 1915). Ein Stück, das auf spannende Weise die Nähe von C-Dur und a-Moll verwendet mit dem Zusatz von fis, das die Musik in C-lydische/a-dorische Richtung färbt.

Nr. 2, Romance (Andante, 1915). Sie ist ein glücklich melodisches, vielleicht das bezauberndste einzelne Instrumentalwerk von Sibelius, wofür es auch eine gängige Violoncellofassung gibt. Das Stück ist vergleichbar mit der berühmten Melodie in F-Dur von Anton Rubinstein, vergleichbar in seiner melodischen Vollkommenheit und der daraus folgenden Beliebtheit.

Nr. 3, Religioso (Sostenuto assai, 1917). Barock-Pastiche etwa im Stil von Vitali, mit Tönen von Lamento. Passt gut auch für Violoncello.

Nr. 4, Rigaudon (Allegretto, 1915). Eine leichtherzige Tanzmodifikation im Stil von Wieniawski, welche mehrere (Violin)komponisten, vor allem Fritz Kreisler, zur Unterhaltung des Publikums schrieben.

Sechs Stücke für Violine und Klavier, op. 79 (1915-17)

Nr. 1, Souvenir (Tempo Moderato, 1915). Nach dem Dialog am Anfang versprüht das parfümierte Stück den nostalgischen Zauber ehemaliger Salons, vielleicht derjenigen in St. Petersburg. Die Violine singt entspannt und von ganzem Herzen, begleitet von den satten Klängen des Klaviers. Das Stück ist auch mit dem langsamen Satz des Violinkonzerts zu assoziieren.

Nr. 2, Tempo di Minuetto (Largamente, 1915) erinnert an die Präludien von Rahmaninov in der Art, wie die alte Tanzform benutzt wird: teilweise mit Respekt, teilweise mit einer modernen Dekonstruktion und durch Elektrifizierung des Menuetts. Es ist kein leichtes Stück mit seinen vielen Doppelstimmen, Läufen und dem Wechsel der Textur.

Nr. 3, Danse caractéristique (Lento, 1916) ist kein Standardwerk mit seinen vielschichtigen Umschwüngen und technischen Anforderungen (u. a. schnelle Läufe, Pizzicato mit der linken Hand). Nach der Improvisation am Anfang etabliert sich ein russischer Gopak-Tanz, der sich wiederum in einer Improvisation auflöst, danach wiederholt sich dieselbe Figur. Die Komposition ist harmonisch vital. Dieses Werk, genau wie das vorangegangene, verlangt wegen des fragmentarischen und kontrastierenden Laufs vom Violinisten einen vollkommenen Sinn für Gleichgewicht und Formgebung.

Nr. 4, Sérénade, Nr. 5, Tanz-Idylle (Tanssi-idylli), Nr. 6, Berceuse (Andantino). Das vielleicht interessanteste Stück von diesen drei ist das die Suite beendende Wiegenlied, das an die schmackhafte Harmoniesprache von Liszt erinnert.

Sonatine in E-Dur für Violine und Klavier, op. 80 (1915)

Sibelius’ einziges späteres Violinwerk in mehreren Sätzen, die Sonatine, ist ein abgewogenes und klassizistisches Werk, das aus glücklichen Kindheitserinnerungen entstanden ist: „Ich habe geträumt zwölf Jahre alt zu sein und ein Virtuose. Der Himmel und die Sterne meiner Kindheit. Viele Sterne.“ (Tagebuch 14.1.1915).

1. Satz: (Lento-Allegro). Nach einer kurzen Einleitung, die viele Terzen beinhaltet, beginnt die Violine auf den Begleitfiguren, die wie Sterne leuchten, ein unschuldiges lebhaftes Thema in E-Dur, das sich mit der Thematik der Klaviersonatine, die in derselben Tonart ist, assoziiert. 2. Satz (Andantino). Im mittleren Satz, dessen Ausdruck ernsthafter ist, führt das melodische Geseufze zu den Leiden des „Lebensschmerzes“ und zum Grübeln, zur Unterbrechung der Bewegung. 3. Satz (Lento-Allegretto). Die langsame Einleitung bereitet das Hauptthema des Finales vor, das glücklich tänzerisch ist. Der Satz beinhaltet auch überraschende Dramatik, die allerdings durch die fröhlich klimpernde Klavierbegleitung aufgelockert wird.

Fünf Stücke für Violine und Klavier, op. 81 (1915-18)

Hier handelt es sich vielleicht um das letzte „Butterbrot“-Opus für Violine, aber aus der Notwendigkeit wurde auch in diesem Fall eine Tugend, denn dieses Opus enthält einige der besten einzelnen Violinstücke von Sibelius.

Nr. 1, Mazurka (1915). Mazurka mag sehr wohl Sibelius’ bestes Salon- oder Show-Stück sein. Aber leicht ist es nicht, weil es umfassende Sprünge, Doppelgriffe und Akkordgriffe, Flötenklänge und Pizzicato enthält. Das Werk verlangt eine vollkommene Technik und einen raffinierten Geschmack, damit alle seine betäubenden Qualitäten vermittelt werden können.

Nr. 2, Rondino (Allegretto grazioso, 1917). In diesem Violinenstück, das zu den charmantesten Violinenstücken von Sibelius gehört, gibt es Zierlichkeit und Entzücken im Rokoko-Stil, neuer Klassizismus, der nicht mit Zwang entstehen konnte, sondern nur durch langfristige Aneignung und Verinnerlichung der Ideale des Klassizismus möglich war.

Nr. 3, Valse (Poco con moto, 1917). Walzer war Sibelius’ Lieblingstanz, den er beinahe in hundert Werken benutzte. Dieser Violinwalzer vermeidet die Gewöhnlichkeit in seiner Feinfühligkeit, schon deshalb, weil die mittlere Phase in ihrer d-Moll-Modifikation sinnreich ist. Das Werk erinnert an Balletmusik von Tschaikowski.

Nr. 4, Aubade (Andantino con moto, 1918). Die Einleitungsakkorde am Anfang des „Morgenliedes“ können auch als Stimmungsmusik des Instruments vom Sänger der Serenade gehört werden. Im Skalenspielen der beweglicheren Hauptepisode ist Leichtigkeit à la Mozart zu hören.

Nr. 5, Menuetto (Moderato assai, 1918) ist mehr eine Paraphrase oder eine Invokation eines Menuetts als ein wirklicher klassischer Tanz. Sibelius behandelt die alten Genres nicht so kubistisch wie Stravinski, aber dieses Menuett ist alles andere als ein Pastiche, denn es scheint, dass Sibelius die Merkmale der Genres zu tilgen anstrebte.

Novellette op. 102 (Allegro, 1922) ist ein melodisch verschwenderisches Stück, das weitgehend auf modaler Improvisation und darauf folgender Vieldeutigkeit beruht. Die e-zentrierte Melodie (die Vorzeichnung am Anfang ist e-Moll) wird durch einen Sixte ajoutée in a-Moll auf der darunterliegenden Quinte begleitet und noch eine Quinte tiefer ist ein Nonenakkord auf d; die Auflösung erfolgt in einen e-Moll Sextakkord. Die Melodie strömt in der Mitte und am Schluss des Stückes in E-Dur. Dies ist eine Art nordischer Impressionismus im Stil von Debussys Arabesken.

Cinq danses champêtres für Violine und Klavier, op. 106 (1924)

Wie die letzten Symphonien und die Klavierstücke, die den Symphonien folgen, nähern sich auch die Violinstücke dem orchestralen Ausdruck und sind stilistisch vielschichtig. In diesen fünf Bauerntänzen gibt es nichts Volkskundliches oder Rustikales, sie sind Miniaturstudien, die spannende Erneuerungen beinhalten.

Nr. 1 (Largamente assai). Im Geist des "Lebenspathos" ist Würde und ein solcher Ausdruck zu spüren, der sowohl vereinfachte Reinheit als auch Virtuosengestik ausstrahlt. Sibelius am waschechtesten; die Musik wird durch die Polkarhythmen der Vivace-Episoden abgeglichen.

Nr. 2 (Alla polacca) ist keine traditionelle Polonäse, sondern eine harmonisch spannende Distanzierung und Dekonstruktion einer Polonäse, etwa in gleicher Art wie Sibelius’ Hochzeitszug (Häämarssi) für Orchester (1911) eine Parodie des Genres ist und somit weit weg von dessen normaler Funktion. Die Polonäse endet auf eine lydische Kadenz, wie sie ja auch von der Symphonie Nr. 7 bekannt ist.

Nr. 3 (Tempo moderato) fällt wegen seiner Improvisationen, seiner vielen kontrastierenden Gesten und seiner vollen Texturen auf, in welchen die Doppeloktaven des Klaviers eine bedeutende Rolle spielen.

Nr. 4 (Tempo di Menuetto). In dieser Modifikation des Menuetts lebt Sibelius eine neue innovative violinistische Periode, die von einem ungezwungenen Ausdruck geprägt ist.

Vier Stücke für Violine und Klavier, op. 115 (1929)

Die Entstehung der spätesten Werke von Sibelius kann nicht mehr durch Geldmangel erklärt werden, denn der Komponist war zu dieser Zeit schon ohne Schulden und ein wohlhabender Mann. Es ist sogar schwer zu glauben, dass die zwei letzten Geigenstücke für das große Publikum geschrieben worden wären. Eher sind die 1929 veröffentlichten Violinwerke rätselhafte Materialexperimente, ähnlich den späten Bagatellen von Beethoven oder den Liszt‘schen Kompositionen für Klavier in den 1880er Jahren.

Nr. 1, Auf der Heide (Nummella) (Andantino) ist ein ruhiges Landschaftsbild. Es breitet sich mit diatonischen Akkorden und Melodien aus, zuerst auf e/G und dann auf a/C beruhend, bis die chromatisch sinkenden Akkorde uns in die Cumulus-Wolken bringen, die von den harfenartigen Arpeggien gemalt werden. Der Schluss ist äußerst harmonisch.

Nr. 2, Ballade (Allegro moderato). Die Ballade experimentiert mit spannenden Appoggiatura-Dissonanzen, die sich in neue Dissonanzen ergießen, wie beim späten Liszt. e-Moll verwandelt sich in der Mitte zu einem grandiosoartigen Largamente in E-Dur. Das Werk erzählt eine rätselhafte Geschichte mit einem positiven Ende.

Nr. 3, Humoreske (Tranquillo) ist ein vereinfachtes, aber seltsam wirkendes Stück.

Nr. 4, Die Glocken (Kellot) (Presto). Die Glocken (Kellot) ist, auf die Organisation der Tonhöhe bezogen, eines der gewagtesten Werke von Sibelius, das auch schwer zu erklären ist. Der Saltarello-Charakter des Werkes ist etwas distanziert, aber das am Schluss hervorbrechende Thema „Dies irae“ bringt die Gedanken in Richtung eines schnellen Todestanzes und der Totenglocken. Auch die Glocken sind teilweise in einem einstimmigen Klaviergewebe zu hören, aber die modal mehrdeutige e-Zentrierung am Anfang ändert sich viele Male, bevor cis endlich zentriert wird und es dabei bleibt. Das Werk beruht somit auf dem Terzstapel cis-e-gis-h-dis-fis-ais-cis mit den chromatischen Modifikationen der Töne (eis, g, his, d, fisis, a, c), so wird also die ganze 12-Ton-Palette  während des Stückes benutzt.

Drei Stücke für Violine und Klavier, op. 116 (1929)

Das letzte Violinopus ist genauso rätselhaft wie die vorangegangenen.

Nr. 1, Scène de danse (Tempo moderato). Der zentrale Ton in diesem seltsamen Tanz ist gis, aber wesentlicher sind die sich losreißenden, spannenden zusätzlichen Tonharmonien und die Ostinato-Begleitung des Klaviers, die irgendwie wahnsinnig scheint und die daraus entsteht, dass mit der linken Hand Tritonus wiederholt wird und auch die Violine in Tritonus-Beziehung mit der Klavier spielenden rechten Hand steht. In diesem Stück finden sich kettenartig verbundene parallele Septakkorde mit verminderten Quinten, was natürlich an die Technik von Debussy erinnert.

Nr. 2, Danse caractéristique (Tempo moderato). Dieses Stück setzt die tonale Schwerkraft fast außer Kraft. Obwohl das Stück um den Ton c zentriert ist, erklingt b beinahe permanent im Bass und wird durch ein b-g-Ostinato fortgesetzt. Das funktioniert jedoch nicht wie eine Dissonanz, sondern ziemlich selbständig. Der Grundakkord ist somit weder ein Sekundakkord des C-Dur-Septakkords (dritte Umkehrung) noch ein g-Moll-Sextakkord oder g-Moll-Terzquintakkord (Grundstellung) zusammen mit den Tönen g-d-g in der rechten Hand, sondern irgendetwas dazwischen. Ab und zu ist im Bass der Tritonus c-fis, und der mittlere Abschnitt umfließt die vorübergehende Tonika es, so dass das Werk auf der akustischen Tonleiter c-d-e-fis-g-a-b-c und der Terzsäule c-e/es-g-b-d-fis basiert.

Nr. 3, Rondeau romantique (Largamente-Tempo commodo). Dieser Schlusssatz, der versöhnlicher und gefühlsbetonter als die anderen ist, bietet außer Grunddiatonik auch als zusätzliches Aroma den Tritonus in verschiedenen Rollen an.