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Bühnenmusik

Karelia-Musik: Overtüre und Suite

[Op. 10 und 11] Karelia-Musik. Tableaumusik für eine Benefizlotterie der Studentenverbindung „Viipurilainen osakunta“ zugunsten der Volksaufklärung der Provinz Wiborg; Overtüre (siehe Orchesterwerke op. 10) und acht Tableaux (Arrangement: siehe Orchesterwerke, op. 11). Vollendet 1893, Uraufführung am 13. November 1893 in Helsinki, in einer Soiree, arrangiert von der Studentenverbindung „Viipurilainen Osakunta“ (Dirigent Jean Sibelius).

Op. 10 Karelia-Overtüre (Karelia-alkusoitto). Vollendet 1893 Karelia-Ouvertüre (Karelia-alkusoitto) für Orchester. Tableaumusik für eine Benefizlotterie der Studentenverbindung „Viipurilainen osakunta“ zugunsten der Volksaufklärung der Provinz Wiborg (Kuvaelmamusiikkia Viipurilaisen Osakunnan Juhla Arpajaisiin Kansanvalistuksen hyväksi Viipurin läänissä). Erstaufführung am 13. November 1893 im Rahmen einer Soiree, arrangiert von der Studentenverbindung „Viipurilainen osakunta“ (Orchester des Orchestervereins Helsinki?, Dirigent Jean Sibelius).

Op. 11 Karelia-Suite (Karelia-sarja). 1. Intermezzo, 2. Ballade, 3. Alla marcia. Vollendet 1894. Aus der Musik für eine Benefizlotterie der Studentenverbindung „Viipurilainen osakunta“ zugunsten der Volksaufklärung der Provinz Wiborg (1893). [Siehe auch op. 10. Fassung für Klavier aus Nummern 1 und 2, 1897 (?).]

Sibelius bekam 1893 von der Studentenverbindung „Viipurilainen Osakunta“ den Kompositionsauftrag für die Tableaux über die Geschichte von Karelien. Das Honorar für den Auftrag betrug 500 Mark, womit die Miete für ein halbes Jahr bezahlt wurde. Sibelius hatte jetzt einen guten Grund, sich in den karelischen Runengesang sowie die schwedischen mittelalterlichen Balladen einzuarbeiten.

Am 13. November 1893 war zu hören oder zumindest zu sehen, wie Sibelius im Hintergrund der historischen Tableaux seine Musik dirigierte. Die Tableaux erzählten von der Geschichte Kareliens, und auch die Runensängerin Larin Paraske trat auf der Bühne auf. Nach der Ouvertüre waren acht Tableaux zu hören.

1. Ein Heim in Karelien (Karjalainen koti), Runengesang von kriegerischer Musik unterbrochen, die in der Ferne erklingt (Sanoma sodasta) (Jahr 1293).

2. Die Gründung von Schloss Wiborg (Viipurin linnan perustaminen) (Jahr 1293).

3. Herzog Narimont aus Litauen zieht Steuern in der Provinz Käkisalmi ein (Liettuan herttua Narimont veronkannossa Käkisalmen läänissä) (Jahr 1333).

4. Karl Knutsson hört auf Schloss Wiborg einem Sänger zu (Kaarle Knuutinpoika Viipurin linnassa) –  Ballade (Jahr 1446).

5. Pontus de la Gardie rückt auf Käkisalmi vor (Pontus de la Gardie Käkisalmen edustalla) (Jahr 1580).

6. Wiborgs Belagerung (Viipurin piiritys) (Jahr 1710).

7. (und 8.) Die Wiedervereinigung von Alt-Finnland [Karelien] mit dem restlichen Finnland (Vanhan Suomen [Karjalan] liittäminen jälleen Suomen suuriruhtinaskuntaan) (Jahr 1811).

Nach den Tableaux war Sibelius’ prachtvolles Arrangement der Nationalhymne „Maamme-laulu“ zu hören.

Ernst Lampén erinnerte sich später an die Uraufführung:

„Im Saal toste es wie ein Sturm auf dem Ozean. Ich konnte am gegenüberliegenden Ende des Saals keinen einzigen Ton hören. Das Publikum hatte keine Geduld beim Zuhören, es war sich kaum bewusst, dass dort überhaupt gespielt wurde. Das Orchester war ja hinter den Säulen untergebracht. Ich habe mich mit großer Mühe durch das Menschenmeer durchgearbeitet und kam endlich nach langen Anstrengungen direkt an das Orchester heran. Dort gab es einige Zuhörer, aber nicht viele. Ich glaube, dass gerade der Marsch gespielt wurde, als ich ankam. Was für eine besonders reizende und schlängelnde Melodie! Welcher schwankende Rhythmus! Ich glaube, dass die verschiedenen Tableaux der Karelia-Musik damals andere Namen hatten als jetzt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat auch der Herzog Narimont aus Litauen dem Tableau mit dem strengen Schritttakt seinen Namen geliehen. So hübsche Musik hatte ich von Sibelius nie zuvor gehört.“

Lampén erinnerte sich richtig. Das Tableau Herzog Narimont aus Litauen zieht Steuern in der Provinz Käkisalmi ein (Liettuan herttua Narimont veronkannossa Käkisalmen läänissä) beinhaltet eine zentrale Episode, die in der Praxis genau dieselbe ist, wie das Intermezzo der Karelia-Suite (Karjala-sarja), die Sibelius später bearbeitete. Die Ballade der Karelia-Suite (Karelia-sarja) wiederum war ursprünglich das vierte Tableau bzw. Karl Knutsson hört auf Schloss Wiborg einem Sänger zu (Kaarle Knuutinpoika Viipurin linnassa). Karl Knutsson hört der Melodie eines Troubadours zu, aber in der Karelia-Suite (Karelia-sarja) wurde der Sänger durch ein Englischhorn ersetzt. Die Hauptepisode des fünften Tableaus, d. h. Pontus de la Gardie rückt auf Käkisalmi vor (Pontus de la Gardie Käkisalmen edustalla) ist in der Praxis dasselbe wie Alla marcia, das die Karelia-Suite (Karelia-sarja) beendet.

Das erste Tableau beinhaltete Kalevala-Runengesang, und die Melodie ist genau dieselbe, die Sibelius im Juli 1892 von Pedri Shemeikka in Korpiselkä hörte und aufschrieb.

Etwa eine Woche nach der Uraufführung veranstaltete Sibelius ein Kompositionskonzert, wo er eine achtteilige Orchestersuite der Karelia-Musik vorstellte. Die Nationalhymne beendete die Suite nach wie vor. Der Kritiker Karl Flodin war begeistert. Nach seiner Meinung hatte Sibelius eine allgemein europäische Richtung eingeschlagen. Oskar Merikanto hielt Sibelius für verständlicher als zuvor und schrieb am 21. November, dass die Suite „beachtenswerte Schritte vorwärts“ bedeutete.

Am 23. November dirigierte Sibelius die Ouvertüre (Alkusoitto) und die Musik der drei Tableaux, aus denen er seine beliebte Karelia-Suite (Karjala-sarja) erarbeitete. Kajanus setzte diese Praxis fort.

Es scheint, dass Sibelius die Karelia-Musik für eine Zwischenarbeit hielt. „Ich finde, dass ich mich in einem erniedrigenden Zustand befunden habe, weil ich für Geld habe komponieren müssen“, schrieb er Anfang November vor der Uraufführung der Karelia-Musik.

Als das Werk sehr gut ankam, verstand er jedoch auch dessen Wert. Er verkaufte 1899 die Ouvertüre (Alkusoitto) und die drei zu einer Suite umgearbeiteten Sätze an Fazer, aber die ungedruckten Werke gerieten letztendlich 1905 an Breitkopf & Härtel. Sie veröffentlichten die Werke 1906 auf Sibelius’ Ersuchen als zwei separate Opus. Nach der Meinung des Komponisten war die Ouvertüre (Alkusoitto) schon „beinahe zu jugendlich“.

Opus Nr. 11, bzw. Karelia-Suite (Karelia-sarja) ließ sich jedoch besser verkaufen als die Ouvertüre (Alkusoitto). Die einprägsamen Melodien und die rhythmische Zugkraft machen die Karelia-Suite (Karelia-sarja) auch heute noch zu einem der beliebtesten Orchesterwerke von Sibelius. In den 1990er Jahren wurde auch die ursprüngliche Karelia-Musik für Aufnahmen und für Konzerte „exhumiert“. Die Zuhörer durften wieder den melodischen Einfallsreichtum des jungen Sibelius bewundern.