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Werke für Chor und Orchester

Kullervo blieb nicht das einzige Werk Jean Sibelius' für Chor und Orchester, sondern ihm folgten noch weitere fünfzehn Werke. Die Qualität der Werke reicht von Gelegenheitswerken bis zu solchen originellen und meisterhaften Werken wie Der Ursprung des Feuers (Tulen synty). Der Chorgesang war von 1890 bis in die 1920er Jahre von einem sehr patriotischen Ton beherrscht, der auch Einfluss auf Sibelius’ Produktion hatte. Die Chöre waren aus Amateursängern zusammengesetzt, die vom Komponisten ein leidlich einfaches, aber anderseits feierlich patriotisches Repertoire erwarteten. Das galt vor allem für Werke, die der Chor mit einem Orchester aufführen sollte.

Promotionskantate 1894 (Kantaatti tohtorin- ja maisterinvihkiäisissä 1894)

Promotionskantate 1894 (Kantaatti tohtorin- ja maisterinvihkiäisissä 1894) für Sopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester, Text von Kasimir Lönnbohm (= Leino). Vollendet 1894; Erstaufführung am 31. Mai 1894 in Helsinki (Aino Ackté, Abraham Ojanperä, Chor „Sinfoniakuoro” ?, Orchester des Orchestervereins Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Fassung für gemischten Chor Festmarsch (Juhlamarssi) 1896.

Jean Sibelius war im Frühling 1894 stellvertretender Dozent für Musik (für Richard Faltin) an der Universität Helsinki. Das Komponieren der Promotionskantate für die Universität gehörte zu seinen Aufgaben als Musiklehrer. Kasimir Leino war zuständig für den ungeschickten und pathetischen Text. Sibelius hatte ihn zu allerlei Tölpeleien gezwungen, wie Eino Leino, der in Hämeenlinna das Gymnasium besuchte, von seinem älteren Bruder zu hören bekam.

„Mein Bruder Kasimir hatte ihm ein Festgedicht geschrieben. - [Sibelius:] Hier brauche ich aa--aa--aa. Da brauche ich ii--ii—ii, oder sonst komponiere ich zu Worten von irgendeiner Anzeige in der Zeitung Hufvudstadsbladet. Mein Bruder Kasimir war ganz außer sich. – Ein unmöglicher Mensch! brüllte er. – Ohne Zweifel, bejahte ich mit gutem Gewissen. – Was soll man mit einem solchen Menschen tun? – Bleibt nichts anderes übrig, als seinen zu großen Appetit zurückzuhalten. Das war wahr. Denn Jean Sibelius war ein maßloser Menschenfresser.“

Die junge, heranreifende Starsopranistin, Aino Ackté, wunderte sich über ihren „wenig melodischen“ Anteil und über „die schreienden Disharmonien“ des Chors. Die romantische und fragmentarische Kantate ist dennoch kein besonders experimentelles Werk. Es dauert über zwanzig Minuten, aber erreicht bei weitem nicht die Originalität des Werkes Kullervo.

Allerdings ist es seltsam, dass Sibelius die Fuge als eines der Elemente einsetzt. Später war er der Meinung, dass es sich zwar lohne, die Technik der Fuge zu üben, aber das Konzertpublikum sollte damit nicht belästigt werden.

Es gibt solche Stellen im Werk, dass auch die Zuhörer von heute sie für das Banalste halten können, was Sibelius je komponiert hat. Aus historischer Perspektive betrachtet hat auch dieses Werk seinen Wert, und ein Zuhörer mit passendem Sinn für Humor mag darin so einiges finden, was ihn amüsiert. Der die Kantate abschließende Festmarsch wurde abgetrennt und ohne Orchesterbegleitung veröffentlicht. So wurde von dem Werk das gerettet, was zu retten war.

Krönungskantate (Kruunajaiskantaatti)

Kantate zu Ehren der Krönung des Zaren Nikolaus II für gemischten Chor und Orchester, Text von Paavo Cajander. Vollendet 1896, Uraufführung am 2. November 1896 in Helsinki („Sinfoniakuoro“ und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft zu Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Auch ohne Chor unter dem Titel Krönungsmarsch (Kruunajaismarssi) aufgeführt. Fassung für Kinderchor Heil Dir, Fürstin! (Terve ruhtinatar!) 1913?

Die Krönung von Zar Nikolaus II wurde in Finnland sehr spät gefeiert. Nach Aino Sibelius nahmen der Komponist und Paavo Cajander die Aufgabe nicht ganz ernst, und die Begrüßung an den Fürsten am Anfang des Werkes kann auch absichtlich vieldeutig gemeint sein. Die Uraufführung fiel wegen der Trunkenheit eines Musikers sehr dürftig aus. Robert Kajanus erinnerte daran, als an der Universität die Stelle des Musiklehrers ausgeschrieben war. Kajanus schnappte Sibelius letzten Endes auch die Stelle vor der Nase weg.

Die Arbeit des Chors bei der Krönungskantate war schon abwechslungsreicher als bei der Kantate 1894. Im zweiten Satz gibt es eine Periode mit Fuge, die an die gründlichen Studien von Sibelius unter Anleitung von Albert Becker sechs Jahre früher in Berlin erinnert. Es war gerade an dieser Stelle, wo alles schief wegen eines besoffenen Musikers alles schiefging.

Das Werk ist wieder breitgefächert, die Aufführung dauert ungefähr 17 Minuten. Die Kantate wurde nach der Uraufführung vollkommen vergessen und erst in den 1990er Jahren erneut aufgeführt.

Lied für Lemminkäinen (Laulu Lemminkäiselle)

Op. 31 Nr. 1 Lied für Lemminkäinen (Laulu Lemminkäiselle) für Männerchor und Orchester, Text von Yrjö Veijola. Vollendet 1896?, Erstaufführung am 12. Dezember 1896 (Studentenchor „Ylioppilaskunnan Laulajat“, Orchester der Philharmonischen Gesellschaft, Dirigent Jalmari Hahl).

Lied für Lemminkäinen (Laulu Lemminkäiselle) ist einer der musikalisch-erotischen Ausbrüchen von Sibelius. Innerhalb von ein paar Minuten versucht der Männerchor, vor Testosteron strotzend, „die goldene Anhöhe der Liebe“ zu erreichen. Nach Tawaststjerna wirkt dieses Werk behelfsmäßig, aber der Musikwissenschaftler Veijo Murtomäki hat bemerkt, dass das Lied exakt der später gestrichenen Codamelodie der ersten Fassung von Lemminkäinen zieht heimwärts (Lemminkäisen kotiinpaluu) entspricht.

Promotionskantate 1897 (Kantaatti tohtorin- ja maisterinvihkiäisissä 1897)

Für Sopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester, Text von Aukusti Valdemar Forsman (= Koskimies). Vollendet 1897, Erstaufführung am 30. Mai 1897, Dirigent Jean Sibelius). Nur die Partitur für Chor erhalten. (Fassungen: siehe Werke für Chor a capella op. 23.)

Die Promotionskantate von Sibelius aus dem Jahr 1897 ist harmonischer als die früheren entsprechenden Werke, soweit man es auf Grund der erhaltenen Partitur für Chor beurteilen kann. Der Kritiker der Zeitung „Päivälehti“ hat es auch für seine Einfachheit, Klarheit und Herzlichkeit gelobt. „Jetzt kann sicher keiner mehr behaupten, wie früher, dass man diese Musik nicht versteht! Sie ist genau so verständlich wie die finnische Volksmusik“, schrieb Merikanto, der anscheinend vergessen hatte, seinen Text zu signieren. Aus der Kantatenmusik wurden folgende Nummern für gemischten Chor herausgetrennt:

Nr. 1 Wir, Finnlands Jugend (Me nuoriso Suomen), Nr. 2 Wiege, Wind (Tuuli tuudittele), Nr. 3 Oh! Hoffe, hoffe du Leichtsinniger (Oi toivo, toivo sä lietomieli), Nr. 4 Manche auf dem See des Lebens (Montapa elon merellä), Nr. 5 Ausgehende Fackel der Erde (Sammuva sainio maan), Nr. 6a Wir danken Dir und singen (Soi kiitokseksi Luojan), Nr. 6b Fächelt, Winde, milder (Tuule, tuuli, leppeämmin), Nr. 7 Oh! Liebe, deine Macht ist grenzenlos (Oi lempi, sun valtas ääretön on), Nr. 8 Als der Storm sprudelte (Kuin virta vuolas), Nr. 9 Oh! Teures Finnland, unvergleichliche Mutter (Oi kallis Suomi, äiti verraton).

Viele von diesen Nummern werden immer noch gesungen. Wir danken Dir und singen (Soi kiitokseksi Luojan) ist vielleicht das bekannteste von Sibelius’ religiösen Liedern.

Sandels

Op. 28 Sandels, Improvisation für Männerchor und Orchester, Text von Johan Ludvig Runeberg. 1. Fassung 1898, Erstaufführung am 16. März 1900 in Helsinki (Männerchor „Sällskapet Muntra Musikanter“ und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Gösta Sohlström). Endgültige Fassung 1915, Erstaufführung am 14. Dezember 1915 („Sällskapet Muntra Musikanter“ und das Städtische Orchester Helsinki, Dirigent Georg Schnéevoigt).

Sandels wurde 1898 für einen Kompositionswettbewerb des schwedischsprachigen Chors „Muntra Musikanter“ komponiert. Sibelius wurde belohnt, aber Oskar Merikanto schrieb in seiner Rezension in „Päivälehti“, dass Improvisation „weitaus nicht zu den besten Werken von Sibelius“ gehörte. Er hielt es dennoch für „überwältigend und lustig“.

„Ich habe schon Sorgen mit meiner Phantasie als auch mit Sandels gehabt“, grämte sich Sibelius, obwohl er auch feststellte, dass das Konzert ein großer Erfolg gewesen war. Dieses Gedicht aus der Sammlung Vänrikki Stoolin tarinat von Runeberg gehörte in Sibelius’ früher Jugend zu seinen Lieblingsgedichten und aus diesem Grund fand Erik Tawaststjerna das Werk „merkwürdig zahm“.

„Muntra Musikanter“ wollte das Werk in seinem Repertoire halten und Sibelius revidierte es 1915 für ein gemeinsames Konzert des Chors und des Städtischen Orchesters Helsinki.

Gesang der Athener (Atenarnes sång, Ateenalaisten laulu)

Op. 31 Nr. 3 Gesang der Athener (Ateenalaisten laulu) für Knaben- und Männerstimmen unisono und Orchester, Text von Viktor Rydberg, ins Finnische von Yrjö Veijola. Vollendet 1899, Erstaufführung am 26. April 1899 in Helsinki (Knabenchor, Studentenchor „Akademiska Sångföreningen“ und Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Fassung für Knaben- und Männerstimmen und Klavier (Harmonium ad lib.) 1899, Fassung für Klavier (mit Textüberlegung) 1899.

Gesang der Athener (Ateenalaisten laulu) war die erste Protestkomposition von Sibelius. Sie war direkt gegen das vom russischen Zaren im Februar 1899 erlassene Manifest gerichtet. Das Manifest war ein Versuch die Autonomie des Großfürstentums Finnland einzuschränken.

Das Werk wurde sofort zu einem der Symbole des Widerstandes und der umstrittene Sibelius errang zum ersten Mal in seiner Heimat den Status eines Nationalhelden. Der Text am Anfang des Liedes („Kaunis on kuolla, kun joukkosi eessä, urhona kaadut, taistellen puolesta maas, puolesta heimosikin“) war Zündstoff genug, sogar für einen aktiven und bewaffneten Widerstand. Ernst Lampén hat den Einfluss des Liedes beschrieben:

„Als ich den Gesang der Athener (Ateenalaisten laulu) das erste Mal hörte, wäre ich am liebsten im Hexametertakt die Aleksanterinkatu (Alexanderstraße) entlang marschiert, wenn es nur möglich gewesen wäre. Mein Herz schlug tagelang nur in Daktylen und in Spondeen. Aber dieses Mal war ich nicht der Einzige. Allerhand Gerede über das Lied verbreitete sich in Windeseile in der ganzen Stadt. Der schwedischsprachige Text musste unbedingt ins Finnische übersetzt werden. Unsere Dichter nahmen die Arbeit in Angriff und bald erschienen schon mehrere Übersetzungen. Und bald schon konnten alle Schulkinder und die Studenten das Lied singen.“

Es ärgerte Sibelius aber, dass die Uraufführung der Symphonie Nr. 1 in Gefahr war, in den Schatten des Rauschzustandes zu geraten, den das Lied hervorgerufen hatte. Gesang der Athener (Ateenalaisten laulu) wurde eine finnischen Kennmelodie, und seine Stellung in der nationalen Mythologie ist immer noch stark.

Eisgang auf dem Fluss Uleå (Jäänlähtö Oulunjoesta)

Op. 30 Eisgang auf dem Fluss Uleå (Jäänlähtö Oulunjoesta), Improvisation für Sprecher, Männerchor und Orchester, Text von Zacharias Topelius. Vollendet 1899, Erstaufführung am 21. Oktober 1899 (Axel Ahlberg, Männerchor und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Aus einem Teil des Werkes eine Fassung für Kinderchor (Nejden andas) 1913?

Eisgang auf dem Fluss Uleå (Jäänlähtö Oulunjoesta) war nach Gesang der Athener (Ateenalaisten laulu) die nächste eindeutige Protestkomposition. Sibelius komponierte sie für eine Benefizlotterie der Stundentenverbindung „Savo-Karjalainen osakunta“. Auch mit diesem Werk wollte man sich Russland entgegensetzen, das mit dem Februarmanifest die Autonomie Finnlands einschränken wollte. Die Zensur war zwar höchst wachsam, aber Topelius hatte seinerzeit den Text zu Ehren von Alexander II geschrieben und so konnte Generalgouverneur Bobrikov ihn keinesfalls der Zensur unterwerfen. Andererseits hatte die Finnen in der damaligen politischen Situation kaum Schwierigkeiten das Werk als Protest einzustufen.

Nach Aussage von Sibelius war das Werk in großer Eile entstanden und er hatte noch in den 1940er Jahren die Absicht die Partitur zu „säubern“. Der als Sprecher auftretende Axel Ahlberg bekam das Werk so spät, dass er keine Zeit hatte, sich mit der Musik vertraut zu machen. Auch der Chor bekam die Partitur erst im letzten Moment.

Das Werk zählt nicht zur zentralen Produktion von Sibelius, aber es antizipiert, mit seinen dramatischen Blechakkorden in der Einleitung und mit der Hymne in der mittleren Episode, auf eine interessante Art und Weise Finlandia. Die Rhythmik des Sprecheranteils und der Schläge der Blechinstrumente ist sehr interessant, obwohl der pathetische Sprechtext den Zuhörer von heute auch stören kann.

Schneefried (Snöfrid)

Op. 29 Schneefried (Snöfrid), Improvisation für Sprecher, gemischten Chor und Orchester, Text von Viktor Rydberg, auch auf Finnisch: Snöfrid, kuun kullat (Lauri Pohjanpää). Vollendet 1900, Erstaufführung am 20. Oktober 1900 in Helsinki (Gemischter Chor und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Robert Kajanus). Das abschließende Chorlied wurde beim Einweihungsfest des finnischen Nationaltheaters am 9. April 1902 mit einem Text von Wolter Kilpi gesungen (Katri Rautio, Chor und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Robert Kajanus).

Schneefried (Snöfrid) ist eine Art Wendepunkt in Sibelius’ Produktion. Er komponierte es im Herbst 1900 sehr schnell. „Ich komponierte Schneefried (Snöfrid) beinahe in einem Aufwaschen, nachdem ich von einem dreitägigen Bummel nach Hause gekommen war“, erinnerte er sich später.

Schneefried (Snöfrid) beruht auf einem Gedicht von Viktor Rydberg. Zur Aufführung gehören Sprecher, Chor und Orchester. Uraufführung war am 20. Oktober 1900 bei einer Benefizlotterie; durch diese sollten Verluste abgedeckt werden, die während einer Paris-Reise des Orchesters entstanden waren. Hanna Stenius erinnerte sich 1915 an die Stimmung bei den Proben zum Werk Schneefried (Snöfrid):

„Der Maestro setzte sich ans Klavier und bat um Entschuldigung dafür, dass er nicht Klavier spielen könne, sondern dass ‚seine pianistische Unfähigkeit anhaltende Orgien feierte’. Wir sangen – Sipan wollte die eine und andere Phrase ändern und sie auf eine ganz besondere Weise ausführen. Wir waren fröhlich und glücklich. Wir fühlten eine Brise aus höheren Welten über uns streichen (…) schließlich fing auch das Orchester zu spielen an und alles klang wieder ohrenzerreißend. Aber schon in der nächsten Probe hatte das Ganze Klang, Farbe und Leben. Schneefried (Snöfrid) wurde fertig und aufgeführt, es wurde bewundert und gab den Zuhörern einen unvergleichlichen Kunstgenuss.“

Die Zeitung „Päivälehti“ beschrieb das Ereignis in einer unsignierten Rezension:

„Der Höhepunkt des ganzen Abends war dennoch das letzte Stück des Programms, nämlich die neueste Komposition von Sibelius, ein Melodrama zum Text von Viktor Rydberg Schneefried (Snöfrid). Hoffentlich ergeht es diesem Melodrama nicht ebenso, wie es Sibelius’ Kompositionen schon so oft erging, nämlich, dass sie nie wieder zu hören sind. Viele von diesen Gelegenheitskompositionen des Maestros sind solche Perlen und Schätze unserer Musikliteratur, dass sie nicht im Rummel eines Festabends verschwinden sollten. Was diese neueste Komposition von Sibelius anbetrifft, sieht man da enorme Entwicklung in jeder Hinsicht; in ihrer herzlichen Art und in der harmonischen Stimmung und in der Art und Weise, wie die Malerei und der Chor zur Anwendung gebracht werden. Das Werk im Ganzen macht einen solchen herzlichen und warmen Eindruck, es scheint so klar und wie aus einer Inspiration entstanden, dass es zweifelsohne den Meisterwerken von Sibelius zugezählt werden muss. Hoffentlich wird es bald wieder aufgeführt. Frau Katri Rautio rezitierte ihren Anteil auf eine eindrucksvolle Weise, und der Chor sang ausgezeichnet. Das Werk musste sofort wiederholt werden und herzlich waren die Bezeigungen der Dankbarkeit, mit denen dem begabtesten Komponisten unseres Landes auch für dieses wertvolle Werk gedankt wurde. Diese Komposition gab dieser Lotterie einen musikalischen Wert und eine musikalische Prägung.“

Schneefried (Snöfrid) wurde bis in die 1920er Jahre auch oft aufgeführt, danach geriet die Komposition langsam in Vergessenheit. Der Anfang des Werkes ist mit all seinem Saus und Braus prachtvoll, ebenso die ersten Takte des Chors. Die Rezitation inmitten des Werkes klingt in den Ohren des Zuhörers von heute pathetisch, aber die interessant aufbrausende Begleitung des Orchesters rettet viel.

Der Musikwissenschaftler Veijo Murtomäki ist der Meinung, dass die Figur Schneefried, die sich gegen Versuchungen sträubte, zum Ausdruck bringen sollte, dass Sibelius sich von den Fesseln der „Waldnymphe“ bzw. seiner erotischen Unverantwortlichkeit zugunsten des Vaterlands befreien wollte. In diesem Sinn könnte Schneefried (Snöfrid) das Schlüsselwerk der Übergangsperiode sein.

Der Ursprung des Feuers (Tulen synty)

Op. 32 Der Ursprung des Feuers (Tulen synty) für Bariton, Männerchor und Orchester, Text aus dem Kalevala. 1. Fassung 1902. Erstaufführung am 9. Februar 1902 in Helsinki (Abraham Ojanperä, Männerchor und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Endgültige Fassung 1910, Klavierauszug 1910.

Der Ursprung des Feuers (Tulen synty) war Sibelius’ Beitrag zur Einweihungsfeier des Nationaltheaters 1902. Es ist zweifellos das Beste, was Sibelius für Chor und Orchester seit Kullervo (zehn Jahre früher) komponiert hatte.

Die 47. Rune des Kalevalas feuerte den patriotischen Sibelius an. In der Rune wurde ja von einer dunklen Nacht gesprochen, die die Gefühle des Volkes unter der Gewalt des Generalgouverneurs Bobrikov widerspiegelte. Die Rune endet mit der Beschreibung des Ursprungs des Feuers. Sie diente als Symbol für das Erwachen des Volkes.

Die Uraufführung am 9. April war nur ein Teil des sehr langen Festprogramms. Zum Beispiel veröffentlichte „Päivälehti“ den Text des Werkes am nächsten Tag, aber statt einer Rezension wurde nur festgestellt, dass „die Komposition großartig ist und ihre Wirkung auf das Publikum auch genauso gewaltig “.

Die Komposition blieb im Repertoire und wurde in den nächsten Jahren in Finnland regelmäßig aufgeführt. Sibelius verstand den Wert des Werkes und arbeitete es acht Jahre später um. Die düstere und strenge Komposition ist sichere Arbeit in Bezug auf die Anteile des Baritons, des Chors sowie des Orchesters, obwohl Erik Tawaststjerna auch stellenweise routinemäßige Lösungen in der Form fand. Das Werk zeigt den patriotischen Sibelius von seiner interessantesten Seite.

Impromptu, Opus 19

Op. 19 Impromptu für Frauenchor und Orchester, Text von Viktor Rydberg, ins Finnische von Severi Nuormaa (Pojat ja neidot, armas on elämä). 1. Fassung 1902, Erstaufführung am 8. März 1902 in Helsinki (Frauenchor, Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Endgültige Fassung 1910, Erstaufführung am 29. März 1910 in Helsinki (Frauenchor, Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Partitur für Klavier 1910.

Impromptu wurde zusammen mit der Symphonie Nr. 2 uraufgeführt, weil der Komponist sich mit lauter Neuigkeiten vorstellen wollte. Sibelius revidierte das Werk 1910 zusammen mit der Komposition Der Ursprung des Feuers (Tulen synty).

Im Musikstück gibt es einen Anklang an das frühe Trio g-Moll für Streichinstrumente. Viktor Rydbergs Art die Themen der Antike zu behandeln, interessierte den Komponisten, aber das Werk zeigt nicht den typischsten Sibelius und es wird heute sehr selten aufgeführt.

Hast du Mut? (Har du mod?, Elon taistohon käy)

Op. 31 Nr. 2 Hast du Mut? (Har du mod?, Elon taistohon käy). für Männerchor und Orchester, Text von Josef Julius Wecksell, ins Finnische von Heikki Klemetti. Vollendet 1904. Erstaufführung am 8. Februar 1904 in Helsinki (Männerchor „Sällskapet Muntra Musikanter” und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Fassung für Klavier 1904. Bearbeitete Fassung für Klavier mit Textüberlegung 1911–1912.

Dieser Marsch von „Muntra Musikanterna“ ist patriotisch und musikalisch pathetisch. Dieses sehr kurze Werk ließ Sibelius nicht in Ruhe und er revidierte es im Jahr 1911.

Die gefangene Königin (Vapautettu kuningatar)

Op. 48 Die gefangene Königin (Vapautettu kuningatar), Ballade für gemischten Chor und Orchester, Text von Paavo Cajander. Vollendet 1906, Uraufführung am 12. Mai 1906 in Helsinki („Sinfoniakuoro“ und das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius). Fassung für Männerchor und Orchester 1910. Erstaufführung am 28. November 1913 (Studentenchor „Ylioppilaskunnan Laulajat“ und Orchester, Dirigent Heikki Klemetti).

Diese Arbeit war Sibelius’ Beitrag für das Jubiläum anlässlich des 100. Geburtstags von Snellman. Diese Snellman-Kantate wurde unter dem Decknamen „Siell’ laulavi kuningatar“ (Da singt eine Königin) uraufgeführt. Den Text kann man leicht als eine Allegorie der Finnland-Königin interpretieren, die durch das Novembermanifest 1905 teilweise aus der Unterdrückung durch Russland befreit wurde.

Die gefangene Königin (Vapautettu kuningatar) ist eine für Sibelius typische Kantate: stellenweise imponierend, aber deutlich Gelegenheitsprodukt. Sie wurde schnell vergessen, vielleicht auch deshalb, weil sie nur ein kleiner Beitrag im Programm der Snellman-Festveranstaltung war. Robert Layton ist der Meinung, dass sie durchaus dem Material der Symphonie Nr. 2 ähnelt.

Marsch der finnischen Jäger (Jääkärien marssi)

Op. 91a Marsch der finnischen Jäger (Jääkärien marssi) für Orchester und Männerstimmen ad lib. Arrangement aus dem Original (für Männerchor und Klavier, 1917). Vollendet 1918, Erstaufführung am 21. April 1918 in Helsinki (Städtisches Orchester Helsinki, Dirigent Robert Kajanus).

Der Marsch der finnischen Jäger (Jääkärien marssi) leitet nach einer langen Pause eine neue Blüteperiode der Kompositionen von Sibelius für Chor und Orchester ein. Der Komponist hatte am Anfang des 20. Jahrhunderts die Apparatur für den internationalen Vertrieb seiner Werke nicht gebraucht. Die Selbstständigkeit und der – von Sibelius’ Seite betrachtet –im Frühling 1918 gewonnene Bürgerkrieg, hatten jedoch einen starken Bedarf für neue patriotische Feierlichkeiten zur Folge. Werke für Chor und Orchester kamen wieder in Mode.

Sibelius konnte diese Entwicklung noch nicht ahnen, als er einen Marsch zum Text von Heikki Nurmio („korkean isänmaallisen tunnelman vallassa“) für die in Deutschland auszubildenden Jäger komponierte. Zuerst verfertigte er eine Fassung für Männerchor und Klavier.

Noch konnte Sibelius nicht wissen, dass die finnischen Jäger, die sich zur militärischen Ausbildung in Deutschland aufhielten, nach ihrer Rückkehr die Waffen auf die finnischen Roten richten würden. Ursprünglich strebte man ja eine militärische Ausbildung an, um im eventuellen Unabhängigkeitskampf gegen die russischen Truppen gerüstet zu sein. Auch das geschah, aber zum Leidwesen vieler Jäger und des Komponisten mussten sie auch gegen Landsleute kämpfen.

Die Fassung für Männerchor und Klavier begann sich schon im Januar 1918 noch vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs zu verbreiten. Eine feierliche Fassung für Orchester wurde sofort benötigt, nachdem Helsinki befreit worden war. Die Kämpfe setzten sich anderswo noch fort, als am 14. April eine Eroberungsparade organisiert wurde. Ungefähr eine Woche später führte das Städtische Orchester Helsinki ein Ehrenerweisungskonzert für die Offiziere der deutschen Streitkräfte auf. Sibelius’ Tochter Katarina mochte die deutsch-finnische Festveranstaltung nicht.

„Es war wie eine Entweihung, als Marsch der finnischen Jäger (Jääkärien marssi) gespielt wurde. Marsch der finnischen Jäger (Jääkärien marssi) ist für mich das Heiligste auf der Welt. Nein – es ist für mich das Schönste, wenn Papa ihn im Saal zu Hause für mich spielt, im Dämmerlicht. Mich verletzte auch, dass er wiederholt wurde – nochmals bestellt wurde. Papa spielt ihn nicht zu oft“.

Der Marsch der finnischen Jäger (Jääkärien marssi) wurde das Siegeslied des weißen Finnlands, und der Marsch vereinigte auch weite patriotische Kreise, spätestens nach dem Winterkrieg. Sibelius hatte seinen Status als Nationalheld und als nationales Symbol erreicht. Von jetzt an behandelten die finnischen Kritiker ihn noch respektvoller als zuvor. Wer Sibelius verhöhnte, verhöhnte auch den jungen Staat und seine Armee.

Das eigene Land (Oma maa)

Op. 92 Das eigene Land (Oma maa), Kantate für gemischten Chor und Orchester, Text von Kallio (Pseud. = Samuel Gustaf Bergh). Vollendet 1918. Erstaufführung am 24. Oktober 1918 in Helsinki (Chor „Helsingin kansallismielisen nuorison sekakuoro “Städtisches Orchester Helsinki, Dirigent Armas Maasalo).

Sibelius komponierte die Kantate Das eigene Land (Oma maa) in der Nervenheilanstalt Lapinlahti in Helsinki, nachdem er vor den gefürchteten Gewalttätigkeiten der Roten auf dem Lande in die Wohnung seines Bruders, des Professors Christian Sibelius geflüchtet war. Armas Maasalo erzählte über die Hintergründe des Auftragswerks:

„Der Chor „Kansallis-Kuoro“, den ich dirigierte, bereitete sich darauf vor, sein 10-jähriges Jubiläum zu feiern und fasste, trotz der unruhigen Zeit, den Entschluss, sich an Jean Sibelius zu wenden, um eine interessante Neuigkeit für ein Festkonzert zu bekommen (…) als dann nach ein paar Wochen das Telefon klingelte und eine vertraute Stimme mir am Telefon mitteilte, dass das vom Chor gewünschte… Werk fertig sei, war ich sehr überrascht. Vor allem deswegen, weil der Maestro – als ob ihm der Schelm aus den Augen geschaut hätte – mich fragte, ob ich vielleicht Zeit hätte, ihn zu besuchen. Auch der Weg war nicht lang, denn er rief nicht aus Järvenpää an, sondern aus der Nervenheilanstalt Lapinlahti. Er war nicht krank, aber aus Sicherheitsgründen – viele bekannte Bürger wurden in diesen Zeiten von den Roten gefangengenommen – hatte Robert Kajanus ihn in der Abenddämmerung in einen Schlitten gezwungen und ihn in das Krankenhaus der Hauptstadt transportiert, wo sein Bruder Christian als Oberarzt tätig war. Dort traf ich dann den Komponisten munter und allem Anschein nach mit seinen Verhältnissen zufrieden. Die Partitur lag auf dem Tisch. Er bat mich sie durchzusehen und er erzählte, dass die ruhige Umgebung neben dem großen Friedhof sich sehr günstig auf seine Arbeit ausgewirkt hätte. ‚Ich habe hier allerdings kein Instrument zu meiner Verfügung, aber das macht nichts’, fügte er hinzu.“

Die Kantate Das eigene Land (Oma maa) wurde am 20. März vollendet. Die Nachrichten über das baldige Ende der Roten Garde beflügelten Sibelius sicherlich, und auch die Stimmung des Werkes ist zuversichtlich und wundervoll frei von trotzendem Patriotismus. Es war, als ob Sibelius schon versucht hätte, das zweigeteilte Volk in eine ruhigere Zukunft zu führen. Der Text rühmte ganz allgemein die Natur der Heimat.

Uraufführung war im Oktober. Die Kritiker rezensierten das Werk schon mit routinemäßigen Redewendungen. Trotz des nationalen Inhalts hat Das eigene Land (Oma maa) auch einige ausländische Musikwissenschaftler entzückt. Zum Beispiel ist Robert Layton der Meinung, dass das Werk mehr Aufführungen auch außerhalb Finnlands Grenzen verdient hätte.

Das Lied von der Erde (Jordens sång, Maan laulu)

Op. 93 Das Lied von der Erde (Jordens sång, Maan laulu), Kantate für gemischten Chor und Orchester, Text von Jarl Hemmer, ins Finnische von Hilkka Nortamo. Vollendet 1919. Erstaufführung am 11. Oktober 1919 in Turku (Gemischter Chor, Orchester der musikalischen Gesellschaft Turku, Dirigent Jean Sibelius).

Åbo Akademi hatte für Sibelius irgendwie einen legendären Ruf und er fühlte sich geehrt, für diesen Auftragsgeber eine Kantate komponieren zu dürfen. Die Kompositionsarbeit selbst machte jedoch nur stockend Fortschritte.

„Ich komponierte die Kantate für Åbo Akademi sehr widerwillig“, erinnerte er sich später. „Der Text (Jarl Hemmer) und auch die Veranstaltung selbst inspirierten mich nicht. Ich komponierte sie nur, weil dafür bezahlt wurde. Die Orchestrierung (u. a. 4 c-Klarinetten) hing mit der damaligen Lage des Orchesters in Turku zusammen“, erzählte er im Jahr 1943 seinem Schwiegersohn Jussi Jalas.

Sibelius erhielt für die Kantate 6000 Mark, umgerechnet. ca. 1800 Euro. Er hatte die Tantieme auch wirklich nötig, denn der Krieg und die starke Inflation hatten einen verheerenden Einfluss auf sein Einkommen ausgeübt.

Im Oktober dirigierte Sibelius die Uraufführung der Kantate Das Lied von der Erde (Jordens sång, Maan laulu) bei der Einweihung der Universität Åbo Akademi. Er führte in den nächsten Jahren das Werk einige Male auf, aber es begeisterte die Kritiker nicht besonders. Heute ist das Werk selten zu hören und es wird oft mit der Kantate Hymne von der Erde (Maan virsi) verwechselt.

Hymne von der Erde (Maan virsi)

Op. 95 Hymne von der Erde (Maan virsi), Kantate für gemischten Chor und Orchester, Text von Eino Leino. Vollendet im Januar 1920. Erstaufführung am 4. April 1920 in Helsinki (Chor „Suomen Laulu“, Städtisches Orchester Helsinki, Dirigent Heikki Klemetti).

Sibelius versprach die Kantate Die Hymne der Erde (Maan virsi) dem Chor „Suomen Laulu“ als Dank dafür, dass dieser Chor bis dahin alle Sibelius’ Werke für Chor ohne Gegenleistung aufgeführt hatte. Armi Klemetti erinnerte an die Schwierigkeit des Prozesses:

„Wie viel Mühe es uns kostete, das Werk zu bekommen! Heikki bombardierte Sibelius dauernd mit Fragen, denn wir hofften innig, dass wir dieses neue Werk für Chor zu unserem 20-jährigen Jubiläum aufführen könnten, das im Frühling 1920 stattfinden sollte. Letztendlich wurde Heikki richtig deprimiert, weil Sibelius immer wieder seinen eifrigen Bitten auf dieselbe Weise antwortete: ‚Ja, ja, ich mache das schon, aber es ist schwierig einen passenden Text zu finden.' Heikki ließ Sibelius dann endlich in Ruhe und sagte mir: ‚Das war’s dann, die ganze Geschichte, nur ein Versprechen, und ich mag mich nicht erneut, an Sibelius wenden. Ich lasse es bleiben!’ Der arme Heikki tat mir richtig leid und ich dachte, dass die Worte einer Frau vielleicht manchmal mehr helfen, als die eines Mannes. Ich machte mir Mut und als Heikki abwesend war, rief ich Sibelius an und redete so herzerweichend auf ihn ein, wie ich nur konnte. Und tatsächlich. Sibelius antwortete überraschenderweise: ‚Ich werde es versuchen, wenn sie schon so schön fragen. Ich rufe sie in ein paar Tagen zurück.“

Das Werk wurde beim Jubiläumskonzert des Chors „Suomen Laulu“ uraufgeführt; Dirigent war Heikki Klemetti. Der Kritiker Bis (Pseudonym) nahm an, dass das Werk eine Übersetzung der Kantate Das Lied von der Erde (Jordens sång, Maan laulu) gewesen wäre, was auch später noch öfters fälschlich angenommen wurde.

Ein zweites Mal wurde die Kantate Die Hymne der Erde (Maan virsi) auf der ersten finnischen Messe, auf dem Platz vor der Kirche „Johanneksen kirkko“ mit Sibelius als Dirigent aufgeführt. Der Komponist hatte einen Cutaway übergeworfen und hatte einen Zylinderhut auf. Nach Aussage von Armi Klemetti dirigierte Sibelius deutlich und war für die Sänger und Sängerinnen ein gewandterer Kapellmeister als zum Beispiel Robert Kajanus, dessen schwimmender Gestik schwer zu folgen war. Sibelius dirigierte u. a. auch Das Lied von der Erde (Jordens sång, Maan laulu) auf der Messe.

Hymne von der Erde (Maan virsi) blieb für einige Jahre im Konzertrepertoire Sibelius’. Das feierliche patriotische Pathos bietet keinen Platz für die persönlicheren Betonungen des Komponisten. „Seine Art für einen Chor [in den 20er Jahren] zu komponieren, reflektiert die Entwicklung überhaupt nicht, die er in anderen Gebieten der Musik signalisiert hatte“, wunderte sich Robert Layton.

Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi)

Op. 110 Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi), Kantate für gemischten Chor und Orchester, Text aus dem Kalevala. Vollendet 1926, Erstaufführung am 28. Juni 1926 in Sortavala (Dirigent Robert Kajanus).

Jean Sibelius arbeitete im Sommer 1926 an zwei Werken, zu denen das Kalevala ihn inspiriert hatte: an der symphonischen Dichtung Tapiola und an der Kantate Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi). Tapiola ist ein originelles Meisterwerk, was man von der Kantate Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi) leider nicht sagen kann.

Die Kantate Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi) wurde Ende Juni in Sortavala aufgeführt, und sie wurde nie in das Standardrepertoire aufgenommen. Sibelius führte nach einer langen Pause wieder Tagebuch, er verfluchte seine „Auftragsarbeiten“ und schrieb, dass er wieder Whisky tränke. Er kam 1928, in seinem Brief an Wäinö Sola, wieder auf Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi) zurück: „Die Kompositionen, die ich in letzter Zeit für Festveranstaltungen komponiert habe – Festmarsch, (Promootiomarssi), Hymne von der Erde (Maan virsi) und Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi) wurden nach den Veranstaltungen nicht mehr aufgeführt und ich habe nicht einmal einen Verleger für sie gefunden.“

1917 wurde Sibelius seine Schulden los und fing schnell an, wohlhabend zu werden. Er hielt es nicht mehr für nötig Kantaten für patriotische Auftragsgeber zu komponieren. Eine traurige Tatsache bleibt aber, dass er dann auch kaum anderes für Orchester komponierte, was ihm gut genug gewesen wäre.

An und für sich schließt Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi) die Kalevala-Periode auf schöne Weise ab: er hatte seinen Durchbruch mit Kullervo und Kahnfahrt (Venematka) geschafft. Noch einmal kehrte er auf die Textwelt des Kalevalas und auf den „wackren Alten Wäinämöinen“ („Vakaa, vanha Väinämöinen“) zurück. Das Gebet in Wäinämöinens Gesang (Väinön virsi), „dass wir anständig leben können und in Ehren sterben in dem lieblichen finnischen Land, im schönen Karelien.“ („hyvin ain' eleäksemme, kunnialla kuollaksemme suloisessa Suomenmaassa, kaunihissa Karjalassa!”) kam direkt aus dem Herzen des patriotischen Komponisten.

Musik für Orchester: siehe auch Präsentationen Bühnenmusik und die Werkverzeichnisse von Kilpeläinen: Werke für Orchester.