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Weitere Orchesterwerke


Overtüre E-Dur (Alkusoitto E-duuri) für Orchester. Vollendet 1891, Erstaufführung am 23. April 1891 in Helsinki (Orchester des Orchestervereins Helsinki, Dirigent Robert Kajanus).

Scène de ballet (Balettikohtaus) für Orchester. Vollendet 1891, Erstaufführung am 23. April 1891 in Helsinki (Orchester des Orchestervereins Helsinki, Dirigent Robert Kajanus).

Sibelius hatte im Frühling 1891, während seines Studienjahres in Wien, die Werke Overtüre E-Dur (Alkusoitto E-duuri) und Scène de ballet (Balettikohtaus) als die ersten zwei Sätze der Symphonie Nr. 1 geplant. „Die Ouvertüre ist in meinem Kopf“, schrieb Sibelius am 10. Februar an seine Verlobte Aino. „Das zweite Thema bist du: es ist wehmütig, weiblich, aber leidenschaftlich.“

Sibelius’ Lehrer Goldmark mochte die Ouvertüre nicht besonders, aber lobte den finnischen Ton, der an einigen Stellen zu erkennen war. Goldmark ermutigte Sibelius auch bedeutendere Themen zu komponieren.

Sibelius resignierte dennoch nicht. Er schickte die Werke an Kajanus, damit dieser sie aufführe. Zur selben Zeit plante er für den dritten Satz seiner Symphonie ein Rezitativ, das „eigentlich eine Steigerung zum letzten Satz darstellt, Variationen eines Themas, das auf die finnische Atmosphäre, sehr frei behandelt, angestimmt ist“. Die Planung der Symphonie kam aber nicht recht voran. Ouvertüre (Alkusoitto) und Scène de ballet (Balettikohtaus) blieben separate Nummern.

Kajanus dirigierte im April die beiden fertiggestellten Sätze in einem Populärkonzert in Helsinki. In „Päivälehti“ wurden die Stimmungen, die die Ouvertüre (Alkusoitto) geweckt hatte, geschildert.

„Sie ist wie eine wilde Entladung eines Gemütszustands, wie ein unmittelbarer Ausdruck starker und das Gemüt beherrschender, aber noch unklarer Gedanken. Und wenn sie gespielt wird, bekommt man das Gefühl, das das ganze Orchester in einen Zustand geraten ist, der jeden Musiker dazu zwingt, von seinem Instrument alles, was nur irgendwie möglich ist, herauszuholen, ohne dass der Spieler selbst richtig weiß, was er spielt.“

Ilmari Krohn schrieb in „Uusi Suometar“, dass die Ouvertüre (Alkusoitto) inhaltlich „stellenweise etwas verworren“ klänge. Karl Flodin von „Nya Pressen“ war entzückt: „Wie lebendig die Themen, wie selbständig die Form!“ bewunderte er das Stück. Unter dem Pseudonym „Bis“ schrieb in „Hufvudstadsbladet“ wiederum jemand von einer „ungewöhnlichen Begabung, die, um sich ordentlich entwickeln zu können, eine gewisse Portion bestimmter Selbstbeherrschung benötigte“.

Am 24. November 1891 debütierte Sibelius als Dirigent. Er dirigierte Die Ouvertüre (Alkusoitto) und Scène de ballet (Balettikohtaus) in einem Populärkonzert. „Das Dirigieren war fantastisch. Ich war überhaupt nicht nervös. Ich fühlte mich nur einen Kopf größer“, schrieb Sibelius an Paul. „Wenn nur die Kompositionen nicht solcher Dreck gewesen wären“, fügte er selbstkritisch hinzu.

Die Ouvertüre E-Dur (Alkusoitto E-duurissa) ist für den heutigen Zuhörer ein interessantes frühes Experiment eines geborenen Orchesterkomponisten. Die freiwerdende kinetische Energie hält das Werk zirka zehn Minuten lang hoch. Es ist allerdings wahr, dass Sibelius noch nicht die Ausdrucksstärke und Originalität erreicht hatte, die im April 1892 bei der Uraufführung von Kullervo die Finnen zum Staunen bringen sollten.

Sibelius erzählte, dass er die Inspiration für Scène de ballet (Balettikohtaus) in einer Nacht in einem Wiener „Hurenhaus“ bekommen hätte, „wo die Huren getanzt haben“. Der junge Komponist hatte sich verstimmt und philosophisch gefühlt, als er an die Nutzlosigkeit im Allgemeinen und an die Sterblichkeit des Fleisches dachte.

Scène de ballet (Balettikohtaus) interessierte Sibelius im Februar 1892 nicht mehr, als es wieder in einem Populärkonzert aufgeführt wurde. „Es ist eine ziemlich interessante Studie, aber kein Kunstwerk“, schrieb er an Aino. Sibelius beschloss das ganze Werk zu vergessen, weil er glaubte mit Kullervo viel Besseres leisten zu können.

Die Sibelius-Forscher haben aber Scène de ballet (Balettikohtaus) nicht vergessen. Damit nahm Sibelius Abschied vom sündenvollen Wien. Er benutzte Kastagnetten und komponierte schon damals kunstgerecht für Englischhorn. Erik Tawaststjerna hat Sibelius’ Jugendexperiment sogar mit dem viel späteren La Valse von Ravel verglichen. Man kann nicht leugnen, dass in beiden Werken die Wiener Walzerrhythmen in einem fieberhaften, sogar dämonischen Orchestergewand versteckt sind.