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Werke für Chor (ohne Orchester)

Eine chronologische Übersicht

Wie aus dem Abschnitt „Werke für Chor und Orchester“ hervorgeht, gibt es von vielen dieser Werke auch Fassungen für Chor und Klavier. Unten ist eine Übersicht zu den Werken für Chor zu finden, die ohne Orchesterbegleitung sind.

Der größte Teil der Werke ist für Männerchor komponiert. Auch für gemischten Chor gibt es über zwanzig Werke und beinahe doppelt so viele, wenn man auch die Fassungen für gemischten Chor aus den Werken für Männerchor mitzählt. Für Frauen- oder Kinderchöre komponierte Sibelius nur wenig.

Sibelius versuchte das Bedürfnis der schwedisch- und finnischsprachigen Chöre nach neuer Musik zu befriedigen, ungeachtet der sprachpolitischen Meinungsverschiedenheiten. Die finnischsprachigen Texte beruhen oft auf dem Kanteletar oder dem Kalevala. Aleksis Kivi inspirierte ihn zu ein paar seiner besten Kompositionen für Chor, während Eino Leino, der zum Freundeskreis gehörte, sich schlecht behandelt fühlte. Von den schwedischsprachigen Dichtern war Sibelius’ großer Favorit immer das Vorbild seiner Kindheit, Johan Ludvig Runeberg.

Sibelius’ Art für einen Chor ohne Orchester zu komponieren, war etwas freier als in seinen vielen Werken für Orchester. Zum Beispiel Kahnfahrt (Venematka) und Der Liebende (Rakastava) (1893–1894) zeigen einen Komponisten, der zu keinen Kompromissen bereit war, sondern neue Musik schuf und die Chöre zwang, eine neue Tonsprache zu lernen.

Bald danach fing der Komponist an, auch die technischen und künstlerischen Beschränkungen der Laiensänger zu berücksichtigen. Die Stimmen bewegen sich meistens nicht im Extrembereich, obwohl der tiefste Ton des Liedes Gruß an den Mond (Terve kuu) außerhalb der Reichweite vieler Bässe liegt. Die Harmonien sind nicht immer das Experimentellste, was Sibelius geschrieben hat. Die Rhythmen basieren oft auf eine interessante, sogar den Minimalismus antizipierende Weise auf Wiederholung, Überlappung und Entwicklung der Rhythmusmotive.

Die Begrenzung der Ausdrucksmittel fesselte nicht die Vorstellungskraft des Komponisten nicht. Sibelius ging eigentlich nicht vom traditionellen Ausdruck eines Chors aus, sondern benutzte den Chor als Instrument und schuf auf diese Weise auch sehr einzigartige Klangfarben.

Die Chorwerke klingen immer noch frisch und die besten von ihnen zählen zu den eindrucksvollsten Momenten seiner ganzen Produktion.

Die frühen Chorwerke

Gedanke, sieh wie der Vogel schwingt (Tanke, se hur fågeln svingar) für gemischten Chor. Text von Johan Ludvig Runeberg. Vollendet 1888.

Hinauf durch die Luft (Upp genom luften) für gemischten Chor und Klavier. Text von Per Atterbom. Vollendet 1888.

Allein in den Armen der dunklen Wälder (Ensam i dunkla skogarnas famn) für gemischten Chor. Text von Emil von Quanten. Vollendet 1888.

Wie bleich ist alles (Hur blekt är allt) für gemischten Chor. Text von Johan Ludvig Runeberg. Vollendet 1888.

Wenn der Frühling wieder erwacht (När sig våren åter föder) für gemischten Chor. Text von Johan Ludvig Runeberg. Vollendet 1888.

Ach! Hörst du, Fräulein Gyllenborg (Ack, hör du fröken Gyllenborg), arrangiert aus einem Volkslied für gemischten Chor. Vollendet 1888–1889.

Warum küßt du, Vater, meine Verlobte? (Vi kysser du fader min fästmö här?) für Frauenchor und Klavier. Text von Johan Ludvig Runeberg. Vollendet 1889-90.

Jean Sibelius’ lange Karriere als Chorkomponist begann 1988 mit einem halben Dutzend schwedischsprachiger Chorwerke für gemischten Chor.

Die frühesten Chorwerke von Sibelius wurden am Musikinstitut in Helsinki fertig gestellt. Der Chorgesang war ein sehr allgemeines Hobby und die ersten Arbeiten von Sibelius waren Übungen für den Chorkomponisten Martin Wegelius oder Skizzen für Freunde.

„Ich weiß, dass er während seiner Studienzeit am Musikinstitut seine Kompositionen herumwarf, um eine Wette zu bezahlen, oder welche Gründe er auch gehabt haben mochte. Ich hörte mehrere Kameraden von Sibelius mit Namen erwähnt, die als Leistung für eine gewonnene Wette eigenhändig geschriebene Notenpapiere bekamen.

Die frühesten Chorwerke sind nur sehr wenig untersucht worden. Zum Beispiel behandelten Erkki Salmenhaara, Erik Tawaststjerna und Robert Layton sie nicht in ihren Büchern. Daniel Politoske erwähnte eines der Werke, Allein in den Armen der dunklen Wälder (Ensam I dunkla skogarnas famn), in seinem ausgezeichneten Artikel in der Sammlung Sibelius Companion. Es ist auch das bekannteste der Werke und auch auf Platte aufgenommen, eine lyrische Arbeit, in der die Stimmung eines dunklen Waldes fesselnd beschrieben wurde.

Chorwerke nach Kullervo

Kahnfahrt (Venematka) 1893. (Siehe auch Opus 18.)

Marsch der Arbeiter (Työkansan marssi) für gemischten Chor. Text von Juho Heikki Erkko. Vollendet 1893.

Spiele schmuckes Mädchen (Soitapas sorea neito) für Tenor und gemischten Chor. Text aus Kanteletar (eine Sammlung finnischer Volksgesänge). Vollendet 1893–1894.

Der Liebende (Rakastava), Suite für Männerchor. 1. Miss’ on kussa minun hyväni, 2. Eilaa, eilaa, 3. Hyvää iltaa lintuseni, 4. Käsi kaulaan, lintuseni. Text aus Kanteletar (eine Sammlung finnischer Volksgesänge). Vollendet 1894. Fassung für Männerchor und Streichorchester 1894, Fassung für gemischten Chor 1898. (Siehe auch Orchesterwerke, op. 14.)

Die Kraft des Singens (Laulun mahti) für Männerchor, ein Arrangement aus einer Ballade von Jãzeps Vïtols. Vollendet 1895.

Op. 21 Hymne (Hymni) (Natus in curas) für Männerchor. Text von Fridolf Gustafsson. Vollendet 1896.

Im Morgennebel (Aamusumussa) für gemischten Chor. Text von Juho Heikki Erkko. Vollendet 1897. Fassung für Kinderchor 1913 (?).

Op. 23 Gesänge für gemischten Chor aus der Promotionskantate für das Jahr 1897 (Lauluja sekaköörille 1897 vuoden promotiooni kantaatista). Fassung 1898 (?). (Siehe Werke für Chor und Orchester Promotionskantate 1897 (Kantaatti tohtorin- ja maisterinvihkiäisissä 1897.))

Nr. 1 Wir, Finnlands Jugend (Me nuoriso Suomen), Nr. 2 Wiege, Wind (Tuuli tuudittele), Nr. 3 Oh! Hoffe, hoffe du Leichtsinniger (Oi toivo, toivo sä lietomieli), Nr. 4 Manche auf dem See des Lebens (Montapa elon merellä), Nr. 5 Ausgehende Fackel der Erde (Sammuva sainio maan), Nr. 6a Wir danken Dir und singen (Soi kiitokseksi Luojan), Nr. 6b Fächelt, Winde, milder (Tuule, tuuli, leppeämmin), Nr. 7 Oh! Liebe, deine Macht ist grenzenlos (Oi lempi, sun valtas ääretön on), Nr. 8 Als der Storm sprudelte (Kuin virta vuolas), Nr. 9 Oh! Teures Finnland, unvergleichliche Mutter (Oi kallis Suomi, äiti verraton).

In der Uraufführung von Kullervo hatte Sibelius den Chor auf eine neue Weise eingesetzt, die dem finnischen Publikum gefallen hatte. Sein wirkliches Durchbruchswerk war im Herbst 1893 Kahnfahrt (Venematka), von dem auch jene Zuhörer entzückt waren, die Kullervo nicht verstanden hatten.

Sibelius komponierte das Werk auf Ersuchen des Chordirigenten Jalmari Hahl für den Studentenchor „Ylioppilaskunnan Laulajat“. Die Uraufführung im April 1893 war ein beispielloser Erfolg.

Sibelius erzählte, dass die Komposition „wie eine Bombe“ wirkte. Gerade Kahnfahrt (Venematka) veranlasste den jungen Leevi Madetoja, sich für die finnische Musik zu interessieren. Sibelius konnte sich dieses Mal nicht leisten, sich beleidigt zu fühlen, als Merikanto sagte, dass die Komposition „auf dem Rhythmus des finnischen Runengesangs“ basierte. Später gab er aber zu, dass er in Kahnfahrt (Venematka) „die Art von Larin Paraske“ verwendet hätte, bzw. dass er direkte Einflüsse vom Gesang Larin Paraskes erhalten hätte. In Kahnfahrt (Venematka) ist die Verarbeitung des Choranteils geschmeidiger und das Lied ist nach wie vor sehr beliebt.

Marsch der Arbeiter (Työkansan marssi) war ein Versuch von J. H. Erkko und Sibelius „eine Marseillaise“ der aufkeimenden Arbeiterbewegung zu schaffen. Der Sozialismus hatte in Finnland noch keine Wurzeln geschlagen und die Bewegung konzentrierte sich zum Teil auf Aufklärung und Temperenz. „Aufklärung ist unsere Hoffnung, Gleichberechtigung, bedeutet offene Wege und Brüderlichkeit“ war die Ansicht Erkkos über die Zukunft der Arbeiterbewegung. Der Marsch der Arbeiter (Työkansan marssi) war pathetischer und monotoner als Kahnfahrt (Venematka) und er wurde nicht besonders beliebt, obwohl der Arbeiterverein Viipuri ihn 1896 veröffentlichte.

Das bedeutendste a cappella Chorwerk dieser Periode ist ohne Zweifel die Suite Der Liebende (Rakastava) aus dem Jahr 1894. Sibelius komponierte sie für den Kompositionswettbewerb des Studentenchors „Ylioppilaskunnan Laulajat“. Der Text stammt aus den Liebesgedichten des Kanteletar.

Sibelius gewann den Wettbewerb nicht. Sein ehemaliger Lehrer Emil Genetz gewann mit seinem patriotischen Lied Hakkapeliitat den ersten Preis und Sibelius kam mit seiner Suite Der Liebende (Rakastava) nur auf den zweiten Platz. Karl Flodin und Oskar Merikanto fanden die Entscheidung der Jury eigentümlich. Das Lied von Genetz war ein mittelmäßiges, stämmiges, patriotisches Lied für Chor, während Sibelius das Originellste und Beste komponiert hatte, was man im finnischen Chorgesang bis dahin gehört hatte.

Die dreisätzige Suite Der Liebende (Rakastava) ist einer der Höhepunkte des melodischen Einfallsreichtums des jungen Sibelius. Tawaststjerna ist der Ansicht, dass der erste Satz wie ein stilisiertes Volkslied klingt. Die eilaa-Figuren im zweiten Satz schimmern silbern und die Stimmen verursachten den damaligen Sängern des Studentenchors „Ylioppilaskunnan Laulajat“ sicherlich Schwierigkeiten. Im letzten Satz gibt es Stimmungen wie in einem Madrigal. In der Wehmütigkeit der Trennung ist auch das Element der erotischen Sehnsucht zu spüren.

Sibelius arbeitete schnell eine Fassung für Männerchor und Streichorchester aus, aber die ausgezeichnete Fassung für gemischten Chor aus dem Jahr 1898 wurde dennoch beliebter. 1911 arbeitete der Komponist das Material in eine kunstfertige Suite für Streichorchester, Triangel und Pauken um.

Interessant auf seine eigene Weise ist auch das Lied Im Morgennebel (Aamusumussa) aus dem Jahr 1897. Das Februarmanifest und Sibelius’ Protestlieder wurden erst nach ein paar Jahren aktuell, aber Tawaststjerna meinte schon in diesem Text von J. H. Erkko „eine antirussische Tendenz“ zu fühlen. Sibelius komponierte zu einem einfachen Gedicht eine simple, volksliedartige Melodie.

In den Jahren 1896 und 1897 bemühte sich Sibelius, als Musiklehrer in die Dienste der Universität Helsinki zu treten. Er komponierte eine Hymne (Natus in curas) zu einem lateinischen Text und dirigierte sie 1896 bei der Einweihungsfeier des Denkmals für den Universitätsprofessor Josef Pippingsköld.

Im Frühling 1897 war eine Kantate an der Reihe. Von dem Werk sind zehn Nummern für gemischten Chor erhalten geblieben. Sie sind brauchbare und hochwertige Musik. Die bekannteste Nummer ist sicherlich die am öftesten gesungene Perle der religiösen Musik von Sibelius, Wir danken Dir und singen (Soi kiitokseksi Luojan).

Die Jahrhundertswende

Zwei Arrangements italienischer Volkslieder: Oh! Caroli und Trippole, Trappole für gemischten Chor und Instrumente. Sie wurden 1897–1898 vollendet. Die Instrumentenanteile sind verschollen.

Im Mondschein (Kuutamolla) für Männerchor. Text von Aino Suonio. Vollendet 1898.

Carminalia, arrangiert aus drei lateinischen Junggesellenliedern: 1. Ecce novum gaudium, 2. Angelus emittitur, 3. In stadio laboris für Kinderchor und Klavier oder Harmonium. Vollendet 1898.

Op. 18 Sechs Lieder für Männerchor:

Nr. 1 Gebrochene Stimme (Sortunut ääni) für Männerchor, Text aus Kanteletar. Vollendet 1898. Fassung für gemischten Chor 1898. Nr. 2 Gruß an den Mond (Terve kuu), Text aus dem Kalevala. 1901 Vollendet. Nr. 3 Kahnfahrt (Venematka), Text aus dem Kalevala. Vollendet 1893. Fassung für gemischten Chor 1914. Nr. 4 Auf der Insel brennt ein Feuer (Saarella palaa), Text aus dem Kanteletar. Vollendet 1895. Fassung für gemischten Chor 1898. Nr. 5 Gesang des Jägers (Metsämiehen laulu), Text von Aleksis Kivi. Vollendet 1899 Nr. 6 Lied meines Herzens (Sydämeni laulu), Text von Aleksis Kivi. Vollendet 1898. Fassung für gemischten Chor 1904.

Fleißig wie eine Drossel (Min rastas raataa) für gemischten Chor. Text aus dem Kanteletar (eine Sammlung finnischer Volksgesänge). Vollendet 1898.

An das Vaterland (Isänmaalle) für gemischten Chor. Text von Paavo Cajander. Vollendet 1900. Fassung für Männerchor 1908.

Heimweh (Kotikaipaus) für Frauenchor. Text von Walter von Konow. Vollendet 1902.

An Thérèse Hahl (Till Thérèse Hahl, Lauloit piennä) für gemischten Chor, zwei verschiedene Kompositionen. Text von Nils Wasastjerna, ins Finnische von Pekka Juhani Hannikainen. Vollendet 1902.

Meine Brüder in fremdem Lande (Veljeni vierailla mailla) für Männerchor. Text von Juhani Aho. Vollendet 1904.

Sibelius sammelte in sein Opus Nr. 18 zuerst neun Lieder für Männerchor, aber strich später die Lieder An das Vaterland (Isänmaalle), Meine Brüder in fremdem Lande (Veljeni vierailla mailla) und Fleißig wie eine Drossel (Min rastas raataa) aus dem Opus.

Die im Opus erhaltenen Lieder gehören auch zu den besten von Sibelius. Das Durchbruchswerk Kahnfahrt (Venematka) aus dem Jahr 1893 ist unter ihnen. Das zweitälteste Lied ist Auf der Insel brennt ein Feuer (Saarella palaa), das 1895 in Vaania komponiert wurde. Der Bräutigam zündet Feuer für die Hochzeitsfeier an und die Bässe wiederholen mantraartig den Text des Liedes. Das Lied ist hell und impressionistisch, voll von prickelndem Warten.

Lied meines Herzens (Sydämeni laulu) ist ein kleines Meisterwerk zum Text von Aleksis Kivi und eines der bekanntesten Lieder von Sibelius. Er komponierte es, als Aino 1898 das dritte Kind erwartete. Das Lied erzählt vom Tod eines Kindes – die Tochter Kirsti starb gleich Anfang des Jahres 1900. Man denkt natürlich an Mahler und wie er sein Werk Kindertotenlieder komponierte.

Im Lied meines Herzens (Sydämeni laulu) bilden der Text, der Sinn und der Inhalt der Musik eine reibungslos zusammenhängende Ganzheit. Der Tod ist ein Trost für das Kind des Gedichts, das Leben nach dem Tod besser als das jetzige. Im Tod gab es etwas Eskapistisches für Aleksis Kivi: „weit weg sind Verfolgung und Streit“. Als die Tochter Kirsti starb, spielte Sibelius seinem gestorbenen Kind dieses Stück auf dem Klavier.

In dem Opus gibt es noch ein anderes vorzügliches Werk, Gesang des Jägers (Metsämiehen laulu) zum Text von Aleksis Kivi. Eine protzende und selbstsichere Gruppe von Männern kehrt in lustiger Stimmung in die Natur zurück.

Gebrochene Stimme (Sortunut ääni) rückt im 5/4 Takt weiter und erreicht prachtvoll den Höhepunkt. Gruß an den Mond (Terve kuu), aus dem Jahr 1901, ist das jüngste Lied im Opus. Der von Klemetti dirigierte Männerchor „Suomen Laulu“ bekam es für seine Europa-Tournee. Klemetti hatte den Chor zu einer Elitegruppe trainiert, und Sibelius war sehr zufrieden mit dem Bewusstsein, dass die Bässe fähig waren, den riesigen Abstieg vom großen F zur Kontra-B-Note zu singen. Die Stimmen in Gruß an den Mond (Terve kuu) sind auch sonst sehr anspruchsvoll und es handelt sich hier auch musikalisch um eine der Spitzen unter den Chorwerken von Sibelius. Auf der Tournee von „Suomen Laulu“ lobten die deutschen Kritiker dennoch in erster Linie die Werke Kahnfahrt (Venematka) und Auf der Insel brennt ein Feuer (Saarella palaa). „Es gibt wohl nichts Vergleichbares in der ganzen Literatur der Männerchorwerke“, lobte im Juni 1901 die Zeitung „Berliner Neueste Nachrichten“ in der Tourneerezension.Sibelius’ Ziele waren hochgesteckt, als er letztlich drei von neun Liedern aus dem Opus 18 entfernte. An das Vaterland (Isänmaalle) vermeidet keine Dissonanzen, Fleißig wie eine Drossel (Min rastas raataa) ist ein schönes, kleines Stück und Meine Brüder in fremdem Lande (Veljeni vierailla mailla) ist ein seltener Beweis der Zusammenarbeit mit dem Nachbarn in Ainola, dem Schriftsteller Juhani Aho. Die Komposition stammt aus dem Jahr 1904, als Sibelius nach Ainola umzog. Der Text von Juhani Aho inspirierte Sibelius sogar sehr massive Musik zu schreiben, die seiner Meinung nach nicht richtig zu dem lyrischeren Gesamteindruck des Opus passte.

An Thérèse Hahl (Till Thérèse Hahl) ist eine schöne kleine Ehrenerweisung an die Korrepetitorin von Sibelius und Redakteurin der Sävelistö-Chorhefte zu deren 60. Geburtstag. Sibelius komponierte dieses Werk noch einmal zu demselben Text mit dem Namen Den 25 Oktober 1902, vermutlich um dem Textdichter einen Gefallen zu tun.

Die ersten Jahre in Ainola

Nicht sei Klage dir (Ej med klagan, Ei saa murhein) für gemischten Chor. Text von Johan Ludvig Runeberg. Vollendet 1905.

Marsch für die Schüler der Volksschule (Kansakoululaisten marssi) für Kinderchor. Text von Onnen Pekka (Pseud.). Vollendet 1910.

Kantate auf einen Text von W. von Konow (Kantat till ord av W. von Konow – Härliga gåvor) für Frauenchor. Text von Walter von Konow. Vollendet 1911.

Op. 65a Volk vom Land und vom Meere (Män från slätten och havet, Miehet aukeiden, aavain) für gemischten Chor. Text von Ernst V. Knape, ins Finnische von Reijo Norio. Vollendet 1911.

Op. 65b Die Glockenmelodie in der Kirche zu Berghäll (Kallio) (Kellosävel Kallion kirkossa) Fassung für gemischten Chor, arrangiert aus der Glockenmelodie in der Kirche zu Kallio (Berghäll) (Kallion kirkon kellosävel) (1912) 1912. Text von Julius Engström, auch mit anderem Text: Päättyy työ, joutuu yö (Heikki Klemetti). Fassung für Klavier Die Glockenmelodie in der Kirche zu Berghäll (Kellosävel Kallion kirkossa) 1912.

Lied der Bewohner von Uusimaa (Uusmaalaisten laulu) für Männerchor oder gemischten Chor. Text von Kaarlo Terhi. Vollendet 1912.

Three Songs for American Schools: 1. Autumn Song, Text von Richard Dixon ; 2. The Sun Upon the Lake Is Low, Text von Walter Scott; 3. A Cavalry Catch, Text von Fiona Mcleod. Für Chor und Klavier. Vollendet 1913.

Von den ersten Jahren in Ainola bis zum ersten Weltkrieg wurden nur zwei Chorwerke fertiggestellt, die Sibelius in sein Opusverzeichnis aufnahm. Volk vom Land und vom Meere (Män från slätten och havet) wurde auf Ersuchen von Oberst Axel Stenius für Svenska Folskolans Vänner komponiert. Das Werk ist sehr anspruchsvoll und musste in der Uraufführung mit Unterstützung eines Streichorchesters aufgeführt werden. In dasselbe Opus gelangte auch die Fassung für gemischten Chor des Werkes Die Glockenmelodie in der Kirche zu Berghäll (Kallio) (Kellosävel Kallion kirkossa), die alle Bewohner von Helsinki kennen.

Nicht sei Klage dir (Ej med klagan, Ei saa murhein) ist eine gefühlvolle Widmung an Albert Edelfelt und es wurde bei seinem Begräbnis uraufgeführt. Lied der Bewohner von Uusimaa (Uusmaalaisten laulu) ist überraschend selten in Uusimaa aufgeführt worden. Sibelius komponierte es zu einem Gedicht, das den vom Studentenverein Eteläsuomalainen Osakunta organisierten Liedtextwettbewerb für ein neues Provinzlied gewann.

In dieser Periode komponierte Sibelius auch ein paar Werke für Kinderchor, Marsch für die Schüler der Volksschule (Kansakoululaisten marssi) und Three Songs for American Schools, womit Dollars gesammelt werden sollten. Horatio Parker hatte diese Lieder bei Sibelius bestellt und auch den Auftrag für die symphonische Dichtung Die Okeaniden (Aallottaret) für die Norfolk Musikspiele vermittelt.

Der erste Weltkrieg und das Jahr 1918

Op. 84 Fünf Lieder für Männerchor (Viisi laulua mieskuorolle):

84 Nr. 1 Herr Lager und die Schöne (Herr Lager och Skön fager), Text von Gustav Fröding. Vollendet 1914. Nr. 2 Auf dem Berge (På berget, Vuorella), Text von Bertel Gripenberg. Vollendet 1915. Nr. 3 Ein Traumakkord (Ett drömackord), Text von Gustav Fröding. Vollendet 1915. Nr. 4 Ewiger Eros (Evige Eros), Text von Bertel Gripenberg. Vollendet 1915. Nr. 5 Auf dem Meer (Till havs, Päin hyrskyjä), Text von Jonathan Reuter. Vollendet 1917.

Die Träume (Drömmarna, Haaveet) für gemischten Chor. Text von Jonatan Reuter, ins Finnische von Reijo Norio. Vollendet 1917.

Fridolins Torheit (Fridolins dårskap) für Männerchor. Text von Erik Axel Karlfeldt. Vollendet 1917.

Jonas Seefahrt (Jone havsfärd, Joonaan meriretki) für Männerchor. Text von Erik Axel Karlfeldt, ins Finnische von Hj. Nortamo. Vollendet 1918.

Brausend stürzt eine Welle (Brusande rusar en våg) für Männerchor. Text von Gösta Schybergson. Vollendet 1918.

Draußen hört man den Sturm (Ute hörs stormen) für Männerchor. Text von Gösta Schybergson. Vollendet 1918.

Op. 91b Pfadfindermarsch (Partiolaisten marssi) für Klavier mit Textüberlegung. Text von Jalmari Finne. Vollendet 1918. Fassung für gemischten Chor und Orchester 1918, Fassung für gemischten Chor und Klavier 1921, Fassung für zwei Frauenstimmen und Klavier (The World Song of Girl Guides and Girl Scouts) 1951-52.

Der erste Weltkrieg hatte kaum Wirkung auf die Lieder für Männerchor des Opus 84. Die zwei ersten Lieder wurden am 27. April 1915 in einem Konzert des Chors „Muntra Musikanter“ uraufgeführt. Die Uraufführung des anspruchsvollen Liedes Herr Lager und die Schöne (Herr Lager och Skön fager) missglückte anscheinend, aber das einfachere Lied Auf dem Berge (På berget, Vuorella) wurde sofort beliebt. Im Sommer wurden auch Ein Traumaakord (Ett drömackord) und Ewiger Eros (Evige Eros) fertig. Fünftes Lied in die Serie wurde das 1917 vollendete Lied, das das Meer als Motiv hatte, Auf dem Meer (Till havs, päin hyrskyjä). „Mit den Chorliedern für M. M. habe ich das Gefühl, als ob ich meine Hausaufgaben nochmals machen müsste. Aber sie sind nicht diejenigen, durch die ich stehe oder falle!“ schrieb der Komponist in sein Tagebuch.

Fridolins Torheit (Fridolins dårskap) erzählt von den komischen Seiten des verrückten Jahres 1917. Sibelius bekam per Post von einem Architekten aus Pori, Torkel Nordman, eine geräucherte Schafskeule, die in einen Geigenkasten gepackt war. Der Komponist erinnerte sich an Nordman als einen Quartettsänger und als Dank komponierte er ein lustiges vierstimmiges Lied. Genau so lustig ist auch Jonas Seefahrt (Jone havsfärd, Joonaan meriretki) aus dem Bügerkriegsjahr 1918.

Brausend stürzt eine Welle (Brusande rusar en våg) und Draußen hört man den Sturm (Ute hörs stormen) sind von ihrem Hintergrund her nur tragisch. Während des Bürgerkrieges randalierte eine Räuberbande und richtete den Doktor Gösta Schybergson hin und sogar die Leitung der Roten Garde verurteilte den Fall. Sibelius war tief erschüttert und komponierte zwei Lieder zu Gedichten des Doktors. Der Ausdruck ist chromatischer als in vielen früheren Werken.

Jalmari Finne hegte lange den Wunsch, dass Sibelius etwas zu seinen Texten komponierte. Dieser Wunsch ging in Erfüllung, als Sibelius den Pfadfindermarsch (Partiolaisten Marssi) komponierte. Dieses Werk wurde natürlich sehr viel unter den Pfadfindern aufgeführt.

Werke für Chor 1920–1930

Gleichheit (Likhet) für Männerchor. Text von Johan Ludvig Runeberg. Vollendet 1922.

Drei Antiphonen (Kolme johdantovuorolaulua) 1. An Palmsonntag (Palmusunnuntaina), Liturgie und Orgel. 2. An Allerheiligen oder in Begräbnisgottesdiensten (Pyhäinpäivänä tai hautajaisjumalanpalveluksissa), Liturgie, Chor und Orgel. 3. An christlichen Jugendfesten (Kristillisissä nuorisojuhlissa), Liturgie, Chor (Gemeindemitglieder) und Orgel. Text aus der Bibel. Vollendet 1925.

Der Schulweg (Koulutie) für gemischten Chor. Text von Veikko Antero Koskenniemi. Vollendet 1924.

Schullied (Skolsång) für gemischten Chor. Text von Nino Runeberg. Vollendet 1925.

Marsch für das Schutzkorps (Skyddskårsmarsch, Suojeluskuntamarssi) für Klavier ad. lib. Text von Nino Runeberg. Vollendet 1925.

Op. 108 Zwei Lieder für Männerchor (Kaksi laulua mieskuorolle):

Nr. 1 Humoreske (Humoreski), Text von Larin Kyösti. Vollendet 1925.

Nr. 2 Die Wanderer auf dem langen Weg (Ne pitkän matkan kulkijat), Text von Larin Kyösti. Vollendet 1925.

Der hohe Himmel und die weite Erde (Den höga himlen och den vida jorden) für gemischten Chor oder Orgel. 1927 geschrieben aus der Rituellen Freimaurer-Musik (Vappaamuurarimusiikki) op. 133 Nr. 11 Groß bist Du, Herr (Suur’ olet Herra). Text von Jacob Tegengren.

Der Brückenwächter (Siltavahti) für Männerchor. Text von Wäinö Sola. Vollendet 1928. Fassung für Singstimme (mit Klavier) 1928.

Weihnachtslied (Jouluna, On lapsonen syntynyt meille) für gemischten Chor. Text von August Verner Jaakkola (ein zweiter Text von Väinö Ilmari Forsman: Nyt seimelle pienoisen lapsen). Vollendet 1929.

Ehrenmarsch für Viipurin Laulu-Veikot (Viipurin Laulu-Veikkojen kunniamarssi), zwei verschiedene Kompositionen für Männerchor. Text von Eero Eerola. Die erste Komposition 1920, eine zweite Komposition zu demselben Text 1929.

Kareliens Schicksal (Karjalan osa) für Männerstimmen (unisono) und Klavier. Text von A. Nurminen. Vollendet 1930.

Sibelius nahm von seinen Chorwerken der 1920er Jahre nur zwei Lieder zu Texten von Larin Kyösti in sein Opusverzeichnis auf. In der Uraufführung fiel „Helsingin Sanomat“ das anspruchsvolle technische Niveau auf, das nach Meinung des Kritikers schon nahe dem Unpraktischen war. Heute machen gerade diese Charakteristika diese kleinen Werke interessanter als Durchschnittswerke. Es handelt sich hier um Musik, die zu der absoluten Spitze der Chorwerke von Sibelius gehört.

Sehr viel traditioneller sind die zwei Schullieder aus den Jahren 1924–1925, Ausgleich suchend das eine auf Finnisch und das andere auf Schwedisch. Das Weihnachtslied (Jouluna) ist eine seltene Perle unter Sibelius' Weihnachtsliedern, weil er es direkt für gemischten Chor komponierte.

Der hohe Himmel und die weite Erde (Den höga himlen och den vida jorden, Suur' olet Herra) für gemischten Chor oder Orgel wurde 1927 für das finnisch-schwedische Choralbuch komponiert. Die Fassung für Männerchor und Orgel ist in der Rituellen Freimaurermusik (Vapaamuurarimusiikki) von Sibelius enthalten. Das Werk ist auch aufgrund des originalen finnischsprachigen Gedichts von Simo Korpela Groß bist du, Herr (Suur’ olet Herra) bekannt.

Von den wenigen Märschen ist der interessanteste, aber auch der zwielichtigste – im Nachhinein betrachtet, der Marsch Kareliens Schicksal (Karjalan osa), den Sibelius, inspiriert vom Marsch der Bauern und der Lapua-Bewegung, komponierte. Sibelius war in den Anfangsphasen der Bewegung von ihrem Patriotismus, Antikommunismus und ihrer sprachpolitischen Toleranz fasziniert. Als die Bewegung immer weiter in die radikale Rechte abglitt und ihre Gegner widerrechtlich gegen die Ostgrenze „anzuschieben“ begann, entfremdete sich Sibelius der Bewegung und wandte ihr den Rücken zu.

Die Stille Ainolas

Sibelius schuf inmitten der Stille Ainolas einige Fassungen für Chor. Weihnachtsweise (Julvisa, En etsi valtaa, loistoa) wurde 1935 für Männerchor arrangiert, 1932 für Frauenchor und auch noch für Kinderchor 1954, als der Komponist schon beinahe 90 Jahre alt war. Hoch sind die Schneewehen (On hanget korkeat, nietokset) wurde 1942 für Frauenstimmen arrangiert. Groß bist du, Herr (Suur’ olet Herra) wurde 1944 arrangiert und Brudergesang (Veljesvirsi) und Lobeshymne (Ylistyshymni) sind – unglaublich genug – neue Werke aus dem Jahr 1946.

Im Jahr 1948 machte der Komponist mehrere Fassungen für Chor oder Modernisierungen, u. a. an der Rituellen Freimaurermusik (Vapaamuurarimusiikki) für Männerchor und an der Hymne Finlandia für gemischten Chor.